Berlin. Im Streit um den deutschen Einsatz in Afghanistan gerät Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) durch Vorwürfe aus der Bundeswehr unter Druck, die Soldaten am Hindukusch unzureichend ausgerüstet in den Krieg gegen die Taliban geschickt zu haben.

Entgegen der Behauptung des Ministers, die Streitkräfte dort seien „gut ausgebildet und ausgerüstet“, ist in einem vertraulichen „Erfahrungsbericht-Einsatz“ des im nordafghanischen Kundus stationierten Bundeswehr-Kontingents von „schwerwiegenden Mängeln“ bei Ausrüstung, Personal und Nachschub die Rede.

Verschlechterte Bedrohungslage

Der „nur für den Dienstgebrauch“ bestimmte interne Bericht, der dieser Zeitung vorliegt, wurde vor dem umstrittenen Luftangriff auf zwei von den Taliban entführten Tanklastzügen verfasst. Trotz der „verschlechterten Bedrohungslage“, heißt es dort, sei mehr als die Hälfte der 700 Bundeswehr-Geländewagen mangels Ersatzteilen oft für „mehrere Wochen“ nicht einsetzbar. Dringend erforderliches Material fehle der Truppe vor allem beim Nachschub – von einer „Verwaltung des ständigen Mangels“ ist die Rede. Bei den stets nur begrenzt einsatzbereiten Hubschraubern sei der Einsatz des Personals „nicht an die Zahl der Luftfahrzeuge“ angepasst worden. Als ausgesprochen „desolat“ beschreibt der vertrauliche Bericht auch die Ersatzteilversorgung für die oft mehr als 40 Jahre alten Transall-Transportflugzeuge auf dem Luftwaffen-Stützpunkt Mar-i-Sharif. Zudem mangele es dort an „qualifizierten Mechanikern“.

Für die notwendige Aufklärung des militärischen Lagebildes fehlten den deutschen Soldaten abhörsichere Funkgeräte. Den Spähtrupps mangele es an gepanzerten Fahrzeugen und an für schwierige Geländefahrten ausgebildeten Fahrern. Wegen der häufig schwankenden Temperaturen im Einsatzgebiet seien die Aufklärungsdrohnen vom Typ Luna nicht zuverlässig einsetzbar. Als „erfolglos“ werden Bemühungen vor Ort beschrieben, die unbemannten Flugkörper „mit Hilfe von Klimaanlagen“ vor dem Einsatz abzukühlen.

Fehlende Qualifikation

Nicht „alle Dienstposten“ hätten entsprechend der Anforderungen besetzt werden können, klagen die Kommandeure in Kundus. „Unzureichende Qualifikationen, Fähigkeiten ohne Erfahrungen bis hin zu fehlenden Sicherheitsüberprüfungen“ würden Arbeitsabläufe „behindern“. Es seit darauf zu achten, wird angemahnt, „dass die Soldaten die Voraussetzungen für den Einsatz erfüllen“ und „auf die Erfahrung mit Tod und Verwundung angemessen vorbereitet würden“.

Als Folge dieser Mängel und der drastisch verschlechterten Sicherheitslage laufen die deutschen Aufbau- und Hilfsprogramme im Norden Afghanistans entgegen den Angaben des Verteidigungsministers derzeit allenfalls auf Sparflamme. Der unter Verschluss gehaltene Einsatzbericht qualifiziert denn auch die Kooperation mit dem für den Polizeiaufbau verantwortlichen Innenministerium und den Projekten des Entwicklungshilferessorts als „wenig erfolgreich“. Schon deshalb kann der von Jung als Vorbild für die anderen in Afghanistan engagierten Nato-Staaten immer wieder gepriesene deutsche Ansatz der „vernetzten Sicherheit“ kaum als „voller Erfolg“ (Jung) gewertet werden.