Düsseldorf. Beim Wahlkampfauftakt der CDU in der Landeshauptstadt atmete Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erstmal kräftig durch. Hier musste er keine Attacken des politischen Gegners befürchten. Denn der lässt seit Rüttgers' Rumänien-Schelte nicht locker. Der Druck auf den Landeschef wächst.

Ein perfekter Zeitpunkt, der genau richtige Ort: Dieser Nachmittag kommt Jürgen Rüttgers gerade recht. Um kurz nach 15 Uhr setzt er sich an der Seite von Bildungsministerin Annette Schavan an die Spitze der Bewegung, als die rund 50-köpfige Spitzencrew von CDU und CSU durch ein Fan-Spalier in den Düsseldorfer ISS-Dome einmarschiert. Wahlkampfauftakt der Union, die Kanzlerin wird später dazu aufrufen, „Zuversicht statt Angst zu wählen”. Der NRW-Ministerpräsident setzt sich in die erste Reihe und atmet durch. Hier ist er unter den Seinen, hier ist er sicher vor den Attacken der politischen Konkurrenz, die nach der Veröffentlichung seiner pauschalen Rumänen-Schelte seit Freitagabend mit jedem Tag schärfer werden - für drei Stunden ist der Dome in der NRW-Landeshauptstadt seine höchst willkommene Schutzburg.

Am Mikro ist er in seinem Element. Die 6000 Gäste jubeln ihm als Gastgeber wie keinem anderen Redner zu, als er Manager als Bonus-Abzocker beschimpft, den „Sozen” die Fähigkeit zum Geldverwalten abspricht und der Dortmunder SPD einen „großen Wahlbetrug” vorwirft. Das wollen sie hören, das bringt Stimmung. Aber kein Wort zu den heftigen Attacken aus den Reihen der SPD und der Grünen, die mit dem Vorwurf von Renate Künast am Sonntag einen neuen Höhepunkt erreichte: Die Grünen-Chefin warf dem Regierungschef „Rassismus pur” vor – Merkel müsse Rüttgers als CDU-Vize ablösen. Daran denkt die Kanzlerin freilich nicht.

Rüttgers war durch zwei Wahlkampfauftritte in die Kritik geraten, bei denen er mit anti-rumänischen Sprüchen Stimmung gemacht hatte. „In Rumänien kommen die Arbeiter nicht wie unsere Arbeitnehmer hier in Nordrhein-Westfalen morgens um sieben Uhr und bleiben solange wie der Betrieb ist”, hatte er die Verlagerung der Nokia-Handy-Produktion von Bochum nach Rumänien kommentiert. „Die kommen, wann sie wollen, und gehen, wann sie wollen.” So und ähnlich äußerte sich Rüttgers in Münster und Duisburg.

Sturm der Entrüstung

Die SPD hatte am vergangenen Freitag erst wenige Minuten auf die selbst erstellten Videomitschnitte aufmerksam gemacht, als ein Sturm der Entrüstung losbrach. Zunächst nahm der Düsseldorfer CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst seinen Chef ohne jede Einschränkung in Schutz - kurz darauf betonte Rüttgers selbst, dass es ihm leid tue, sofern sich jemand durch seine Äußerungen angegriffen gefühlt habe. Er habe einzig und allein die Fähigkeiten der deutschen Beschäftigen hervorheben wollen - der „Arbeiterführer” war selbst nach eigenem Empfinden übers Ziel hinausgeschossen.

Doch SPD und Grüne legten nach. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier sprach von einer „Schande” und prophezeite „Schaden für die Außenpolitik”, der nordrhein-westfälische DGB-Chef Guntram Schneider verurteilte „diese grobe Entgleisung”.

Die CDU-Anhänger können die Aufregung dagegen nicht verstehen. „Pauschalurteile sind nie besonders glücklich”, betont ein älterer Gast. „Aber im Kern hat Jürgen Rüttgers doch recht.” Ein jüngerer Parteifreund sieht es ähnlich: „Die SPD glaubt, endlich ein Thema gefunden zu haben. Die Formulierungen von Jürgen Rüttgers waren vielleicht nicht so schlau. Aber jetzt übertreibt die SPD maßlos.”

NRW-Integrationsminister Armin Laschet übernimmt den Gegenangriff. „Wer Jürgen Rüttgers Rassismus vorwirft, vergiftet das Klima für Integration und banalisiert wirklichen Rassismus”, sagte er der WAZ. „Die SPD sollte die Entschuldigung akzeptieren und nicht im Wahlkampf Ressentiments schüren.” So weit die offene Verteidigung. Hinter vorgehaltener Hand äußert ein NRW-Regierungsmitglied aber anderes: Der Ministerpräsident hätte sich „niemals so äußern dürfen”.