Berlin. Millionen von Kassenpatienten müssen sich 2010 auf Zusatzbeiträge einstellen. Denn den Krankenkassen fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich 7,5 Milliarden Euro zur Deckung ihrer Ausgaben. Die Kassen fordern von der Regierung ein Sparpaket.
Millionen von Kassenpatienten müssen sich 2010 auf Zusatzbeiträge einstellen. Denn den Krankenkassen fehlt im kommenden Jahr die Rekordsumme von 7,45 Milliarden Euro, wie die offizielle Schätzung von Regierung und Krankenkassen am Dienstag ergab. Die Kassen fordern von der Regierung ein Sparpaket.
Zudem solle der Steuerzuschuss an die Kassen oder der Beitragssatz von derzeit 14,9 Prozent des Bruttolohns angehoben werden, erklärte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Beides gilt allerdings als unwahrscheinlich. Zum einen wollen Union und FDP die Lohnnebenkosten begrenzen. Auch weitere Steuermittel dürfte es kaum geben, weil der FDP schon der bisher geplante Zuschuss von 11,8 Milliarden Euro im kommenden Jahr ein Dorn im Auge ist.
Pfeiffer erklärte: «Wenn beides nicht passiert, werden zahlreiche Krankenkassen im kommenden Jahr Zusatzbeiträge erheben müssen, um die fehlenden Milliarden zu finanzieren.»
Die Krankenkassen waren mit einer noch ungünstigeren Prognose in die Sitzung des Schätzerkreises gegangen: Sie hatten von bis zu neun Milliarden Euro Fehlbetrag gesprochen. Das Gesundheitsministerium hielt dies für überzogen. Die offizielle Schätzung, an der Experten der Krankenversicherung, des Bundesversicherungsamts und des Gesundheitsministeriums mitwirkten, liegt nun aber nahe an der Erwartung der Kassen.
Die Differenz zwischen den Einnahmen im Gesundheitsfonds und ihren tatsächlichen Ausgaben müssen die 186 Kassen aus anderen Quellen decken. Einige haben Rücklagen - insgesamt sind es nach Angaben des Gesundheitsministeriums etwa fünf Milliarden Euro, allerdings ungleich verteilt. Als Alternative bleiben Zusatzbeiträge.
FDP nennt Zahlen dramatisch
Die neuen Schätzzahlen dürften die Reformdebatte zwischen Union und FDP in den Koalitionsverhandlungen anheizen. FDP-Experte Daniel Bahr sagte im ZDF-Morgenmagazin, die Union solle vorbehaltlos über den Fonds diskutieren. Die Fehlbeträge seien dramatisch und der Fonds «schon im Startjahr pleite».
Die FDP will den Fonds «rückabwickeln» und die Krankenversicherung drastisch umbauen. Sie plant eine Abkopplung vom Arbeitsverhältnis und «leistungsgerechte Prämien» wie in der Privatversicherung. Die Union will dagegen am Gesundheitsfonds festhalten, möglicherweise mit einigen Korrekturen. Unter anderem soll die Klausel fallen, dass Zusatzbeiträge nicht mehr als ein Prozent des Bruttolohns betragen dürfen. Sie könnten also künftig über 37 Euro im Monat liegen.
Die scheidende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) widersprach Bahrs Kritik. Der Fonds sei nicht pleite, vielmehr habe er sich in der Krise bewährt. «Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden», sagte Schmidts Sprecher Klaus Vater.
Kritik der Opposition
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte im Deutschlandfunk, Union und FDP fehle ein Konzept. Linke und Sozialverbände warnten vor radikalen Reformen zulasten der Versicherten und Patienten. «Den Gesundheitsfonds abzuschaffen, auch wenn er noch so unsozial ausgestaltet ist, ist keine Lösung», sagte Linkspolitikerin Martina Bunge.
Der Sozialverband Deutschland sprach sich gegen eine Ausweitung der Zusatzbeiträge aus. Sonst «wird das Kostenrisiko einseitig auf die Versicherten abgewälzt», warnte der SoVD. (ap)