Berlin. Angela Merkel stellt sich gegen die FDP-Forderung, trotz Milliardenloch im Gesundheitsfonds diesen abzuschaffen. Die von den Liberalen angestrebte Privatisierung des Gesundheitswesens kommt für die Union ebenfalls nicht in Frage. Die Verbände warnen vor einer Belastung der Versicherten.
Wilhelm sagte in Berlin, es sei festzuhalten, «dass die Ausgabensteigerungen und das Defizit in keinem Zusammenhang mit der Existenz des Gesundheitsfonds stehen». Der Fonds diene lediglich «als eine Sammelstelle für die entsprechenden Einnahmen und Ausgaben».
Defizit beträgt knapp 7,5 Milliarden Euro
Das Defizit beläuft sich für 2009 auf voraussichtlich 2,3 Milliarden Euro, für 2010 wird es laut Bundesgesundheitsministerium auf 7,5 Milliarden Euro geschätzt. Das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben ergibt demnach eine Deckungsquote von etwa 95,4 Prozent. Im Gesetz ist festgelegt, dass der Beitragsatz angehoben werden muss, wenn die voraussichtlichen Einnahmen des Fonds zwei Jahre in Folge die voraussichtlichen Ausgaben nicht zu mindestens 95 Prozent decken.
Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Rande der Verhandlungen der Koalitions-Arbeitsgruppe Gesundheit: «Es gibt ein Finanzierungsproblem.» Dies ergebe sich aber nicht aus der Frage nach dem Gesundheitsfonds, sondern infolge der sinkenden Einnahmen durch die Wirtschaftskrise, sagte die Unions-Verhandlungsführerin für den Bereich Gesundheit.
FDP erwartet Richtungswechsel
Die CDU-Gesundheitspolitikerin Widmann-Mauz sagte im Deutschlandfunk mit Blick auf die FDP: «Sie will eine Privatisierung des Gesundheitswesens, das kommt mit der Union nicht in Frage.» Widmann-Mauz verwies allerdings auf «größere Probleme beim Ausgabenanstieg in verschiedenen Leistungsbereichen». Daher müsse sehr genau geprüft werden, «wo wir wirtschaftlicher werden können». Der Spielraum für weitere Zuschüsse an das Gesundheitswesen sei begrenzt. Widmann-Mauz gehört ebenfalls der AG Gesundheit an, die am Mittwoch erstmals tagte.
Demgegenüber bekräftigte die FDP ihre Forderung nach Abschaffung des Gesundheitsfonds. «Wir hoffen und erwarten, dass die Union den Richtungswechsel mit uns weg von der Staatsmedizin vollziehen wird», sagte der Bundestagsabgeordnete Daniel Bahr am Rande der Arbeitsgruppen-Gespräche. Zuvor hatte Bahr in einem Zeitungsinterview mit Blick auf den Fonds gesagt: «Er hat sich als untauglich erwiesen, die Probleme zu lösen.» Zudem sei der Fonds bereits im Startjahr pleite. Die Union müsse «vorbehaltlos» über die Abschaffung des Fonds diskutieren, sagte Bahr den «Westfälischen Nachrichten» vom Mittwoch.
DGB: nicht Leistungen streichen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor einer «Belastungswelle» in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Milliardendefizite dürften nicht dazu führen, dass Leistungen wie Krankengeld und Zahnersatz gestrichen oder die Zusatzbeiträge noch erhöht werden, mahnte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte die Koalitionäre davor, «die Finanzierungslücke durch einen gesundheitspolitischen Kahlschlag zu lösen». Auch der Sozialverband VdK warnte Union und FDP vor «weiteren einseitigen Belastungen der Versicherten». VdK-Präsidentin Ulrike Mascher rief die Kanzlerin in der «Frankfurter Rundschau» vom Mittwoch dazu auf, die «soziale Balance» zu wahren.
Die scheidende Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sieht trotz des erwarteten Milliardendefizits in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Notwendigkeit für Beitragserhöhungen. Eine Anhebung des einheitlichen Beitragssatzes oder eine Einführung von Zusatzbeiträgen auf breiter Front seien weder angebracht noch sinnvoll, sagte Schmidt am Mittwoch in Berlin. Dies löse «kein einziges Problem». Statt dessen seien alle Akteure im Gesundheitswesen in der Pflicht, über Einsparmöglichkeiten nachzudenken.
Nach Berechnungen des Schätzerkreises für die Gesetzliche Krankenversicherung fehlen im kommenden Jahr knapp 7,5 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds. Im laufenden Jahr liegt der Fehlbetrag den Experten zufolge bei 2,3 Milliarden Euro. «Die Kassen stehen dieser Entwicklung nicht einfach hilflos gegenüber», sagte Schmidt. Zum einen gebe der Staat den Kassen in diesem Jahr ein zinsloses Darlehen, das frühstens 2011 zurückgezahlt werden müsse. Über eine solche Regelung müsse man auch für das kommende Jahr nachdenken.
Chancen zu Fusionen nutzen
Zum zweiten hätten die gesetzlichen Versicherer Rücklagen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro, sagte Schmidt. Die Krise sei nicht die richtige Zeit, um diese Rücklagen zu horten. Vielmehr müssten sie für die Versorgung eingesetzt werden. Außerdem sollten die Kassen «noch mehr als bislang» die Möglichkeit zu Fusionen nutzen. Durch solche Zusammenschlüsse könnten Kassen wirtschaftlicher arbeiten und ihre Risiken besser verteilen.
Nicht zuletzt sollten auch die übrigen Akteure im System - Krankenhäuser oder die Pharmaindustrie - ihren Beitrag zur Deckung der Milliardenlücke leisten, mahnte die Ministerin. In Zeiten, in denen auch Unternehmen nur geringe oder keine Gewinne machten, dürften nicht einfach steigende Zuwendungen für diese Bereiche vorausgesetzt werden. Mit all diesen Mitteln lasse sich die Lücke füllen, ohne die Versicherten mit steigenden Beiträgen zu belasten. (ddp/afp)