Berlin. Die Hintergründe um die Rolle der Ex-RAF-Terroristin Verena Becker werden immer mysteriöser. Die Bundesanwaltschaft verlangt Einsicht in die Geheimakten des Bundesinnenminsteriums. SPD-Rechtsexperte Wiefelspütz hegt den Verdacht, dass eine Art Kronzeugin besonders geschützt werden könnte.

Die Bundesanwaltschaft will im Fall des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback die Freigabe gesperrter Staatsschutzakten fordern. Dies geschehe aufgrund der Erkenntnisse, die die Hausdurchsuchung bei der ehemaligen RAF-Terroristin Verena Becker vergangene Woche erbracht hätten, sagte ein Behörden-Sprecher am Montag in Karlsruhe. Das Bundesinnenministerium hatte diese Akteneinsicht bislang verweigert.

Becker wird verdächtigt, am Anschlag auf Buback am 7. April 1977 beteiligt gewesen zu sein. Die Bundesanwaltschaft hatte bereits vor zwei Jahren Akteneinsicht bei Ermittlungen zu dem damals ebenfalls verdächtigen Ex-Terroristen Stefan Wisniewski beantragt. Dies war vom Bundesinnenministerium unter Verweis auf Nachteile, die Deutschland drohten, 2008 abgelehnt worden.

Keine Belege für Kooperation mit Staatsschutz

Unterdessen forderte auch der Rechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, die geheimen Verfassungsschutzakten zu Becker freizugeben. «Diese Akten müssen zwingend den Ermittlungsbehörden ausgehändigt werden», sagte Wiefelspütz dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Es stehe «der ganz böse Verdacht im Raum, dass da eine Art Kronzeugin besonders geschützt werden könnte». Belege dafür, dass Becker früher mit dem Staatsschutz kooperierte, sieht die Bundesanwaltschaft nicht.

Becker war vergangene Woche verhaftet worden, nachdem DNA-Spuren auf damaligen Bekennerbriefen und bei ihr gefundene persönliche Notizen den Verdacht der Beteiligung an dem Buback-Attentat erhärtet hatten. Gegen Becker, die bei ihrer Festnahme im Mai 1977 die Mordwaffe mit sich trug, war zwar wegen des Buback-Mordes ermittelt worden. Das Verfahren wurde aber 1980 eingestellt und die wegen anderer Taten zu lebenslänglich verurteilte Terroristin 1989 nach zwölf Jahren Haft begnadigt.

Unter Kontrolle

Die «Bild"-Zeitung berichtete am Montag unter Berufung auf Stasi-Akten, dass Becker bereits seit 1972 Kontakt zum Verfassungsschutz gehabt haben soll. Die Zeitung zitiert einen Aktenvermerk der Stasi-Hauptabteilung II/2 vom 2. Februar 1978. Dort heißt es dem Blatt zufolge: «Es liegen zuverlässige Informationen vor, wonach die B.(ecker) seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten wird.»

Die Bundesanwaltschaft bezeichnete den in den Stasi-Akten erhoben Vorwurf als bekannt und bereits widerlegt. Die behauptete Zusammenarbeit habe sich nicht bestätigt, hieß es in Karlsruhe. Die Bundesanwaltschaft habe zudem bei der Wiederaufnahme der Ermittlungen im April 2008 beim Bundesamt für Verfassungsschutz nachgefragt, ob zwischen dem Amt und Becker bis zur Einstellung ihres Verfahrens im März 1980 eine Zusammenarbeit bestanden habe, dies sei vom Verfassungsschutz klar verneint worden.

"Auch das Undenkbare kommt vor"

Nach Ansicht Wiefelspütz' ist Schäuble «gefordert, sich klar zu erklären - und zwar so schnell wie möglich. Er ist auch Verfassungsminister und hat eine besondere Verantwortung für die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland.» Auf die Frage, ob er es für möglich halte, dass Becker durch den Verfassungsschutz geschützt werde, sagte Wiefelspütz: «Für mich ist das undenkbar in Deutschland. Aber auch das Undenkbare kommt vor.» FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hatte am vergangenen Wochenende Schäuble ebenfalls aufgefordert, die Akten über den Buback-Mord offenzulegen. (afp)