Karlsruhe. Jetzt soll endlich die ganze Wahrheit ans Licht genommen - das fordern Politiker und Angehörige des von der RAF getöteten damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Bei der verhafteten Ex-Terroristin Verena Becker solle nun die Kronzeugen-Regelung angewendet werden.

Nach der Verhaftung der früheren RAF-Terroristin Verena Becker fordern Politiker und Angehörige des Opfers eine vollständige Aufklärung des Attentats auf den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, äußerte am Samstag die Hoffnung auf einen neuen RAF-Prozess, um die «gesamte Wahrheit» über das Verbrechen herauszufinden. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel appellierte an das Bundesinnenministerium, sämtliche Verfassungsschutz-Dokumente über den Fall offenzulegen. Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) verlangte eine Aufklärung über die Rolle des Verfassungsschutzes bei dem Anschlag.

In Untersuchungshaft

Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker war am Freitag - 32 Jahre nach dem Buback-Attentat - in Untersuchungshaft gekommen. Ihr wird zur Last gelegt, sich an dem Anschlag des «Kommandos Ulrike Meinhof» auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei seiner Begleiter am 7. April 1977 als Mittäterin beteiligt zu haben. Die drei waren von einem Motorrad aus erschossen worden. Das Attentat war Teil einer von der RAF als «Offensive 77» bezeichneten Anschlagsserie, die eine feste Gruppe von RAF-Mitgliedern für 1977 geplant hatte.

Die Bundesanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren gegen Becker in dem Fall 1980 zunächst eingestellt, im April 2008 wurde es wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit hatte Becker eine lange Haftstrafe verbüßt. 1989 wurde sie begnadigt und lebte zuletzt in Berlin.

Selbstgespräch auf Papier

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Spiegel» geht Beckers Verhaftung auf ein handschriftliches Dokument zurück, das Ermittler bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung gefunden hatten. In den Notizen führe Becker eine Art Gespräch mit sich selbst: Unter anderem stelle sie sich darin die Frage, ob sie für Buback beten und wie sie sich mit dem Thema Schuld auseinandersetzen solle. Laut Bericht waren die Notizen für die Bundesanwaltschaft zusammen mit anderen Indizien nun Anlass für den Haftbefehl. Die Bundesanwälte werfen ihr vor, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein, nicht aber, die tödlichen Schüsse abgegeben zu haben.

Der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, Michael Buback, sagte, in den vergangenen Jahren hätten sich mehrere Zeugen bei ihm gemeldet, die auf dem Motorrad am Tatort eine zierliche Person gesehen hätten. «Diese Zeugen sind aus mir unerfindlichem Grund bislang nie zur Gegenüberstellung gerufen worden», sagte er, «sie waren auch in keinem der Prozesse Zeugen.» Auch in den Akten fehlten solche Hinweise. Für ihn ergebe sich ein «sehr hoher Verdacht» gegen Becker. Buback betonte, er hoffe nun, dass zu einer Anklage und einem Prozess komme, um ihren «Tatbeitrag» zu klären.

Alle Akten offenlegen

Niebel forderte das Innenministerium auf, sämtliche Akten über den Mord offenzulegen. Gerade angesichts der neuen Indizien sei dies «zwingend notwendig». Sonst setze man sich dem Vorwurf der Vertuschung aus. Bislang hält das Ministerium die Verfassungsschutz-Dokumente über das RAF-Attentat auf Buback unter Verschluss.

Auch Bosbach drängt auf eine umfassende Aufklärung. «Die Vermutung des Buback-Sohnes Michael, dass der Verfassungsschutz jemanden deckt, der vielleicht an einem Mord beteiligt war, beinhaltet einen massiven Vorwurf», sagte er, «ich hoffe nicht, dass der sich eines Tages bestätigt.» Buback habe aber einen Anspruch darauf, «dass das Tatgeschehen rückhaltlos aufgeklärt wird».

Nach Ansicht des früheren Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Hans-Ludwig Zachert, sollte für Becker «die Kronzeugen-Regelung angewendet werden». Wenn es gelänge, Becker durch einen Straf-Rabatt zum Reden zu bringen, könnte sie zur Aufklärung mehrerer RAF-Verbrechen beitragen, sagte Zachert, der von 1990 bis 1996 BKA-Präsident war. (ddp)