Essen. . Studie der Bertelsmann-Stiftung: Ohne Hilfe vom Staat können sich Senioren einen Heimplatz oft nicht leisten. Jeder Fünfte auf Sozialhilfe angewiesen.
Sechs Alten- und Pflegeheime betreibt die Arbeiterwohlfahrt in Essen. 735 Senioren werden dort betreut, die meisten von ihnen Frauen, viele der Bewohnerinnen mit nur einer kleinen Rente. Weil das Altersgeld auch trotz der Zuschläge aus der Pflegeversicherung nicht ausreicht, um den Heimplatz zu bezahlen, sind viele der Frauen auf Hilfe vom Staat angewiesen. Karlheinz Dieler, der beim drittgrößten NRW-Wohlfahrtsverband das Essener Pflegereferat leitet, schätzt: „Jeder zweite unserer Bewohner bekommt anteilig Sozialhilfe.“ Im Norden etwas mehr als im Süden.
Unter welchen Umständen und zu welchen Kosten ältere Menschen künftig gepflegt werden, diese Frage treibt Gesundheitsexperten wie Politiker und Gewerkschafter seit Jahren heftig um. Der Druck ist groß: Bis 2030 wird die Anzahl der Pflegebedürftigen Menschen von aktuell 2,6 auf schätzungsweise 3,6 Millionen Menschen steigen. Das stellt besonders die Städte vor Herausforderungen, denn bei ihnen vor Ort findet die Pflege statt.
Geldbeutel entscheidet über Pflege
Und vor allem für Altenheime gilt: Die Pflegekosten können die wenigsten Senioren ohne Hilfe stemmen. Das geht aus einem neuen Report zur Pflegeinfrastruktur der Bertelsmann-Stiftung vor. Aus 400 Kommunen haben die Gesundheitsexperten Daten aus der Pflege untersucht, allein für NRW 53 Städte und Kreise bewertet. Deutschlandweit reiche in mehr als der Hälfte der Kommunen das durchschnittliche Einkommen eines über 80-Jährigen nicht aus, um einen Pflegeplatz im Heim zu finanzieren.
Für NRW gilt landesweit: Im Durchschnitt können die Senioren aus eigener Tasche nur etwa neun von zwölf Monaten in einem Heim finanzieren. Jeder fünfte der 160. 000 Altenheimbewohner in NRW ist auf Sozialhilfe angewiesen – das gilt vor allem für Regionen mit hoher Alterarmut.
Wo die Pflegekosten hoch sind, kommen Senioren eher ins Straucheln: In Essen, wo die durchschnittlichen Pflegekosten mit 148 Euro am Tag angegeben sind, kann ein über 80-Jähriger rein rechnerisch gerade einmal 282 von 365 Tagen stationäre Pflege bezahlen. In Herne indes, wo die Pflegekosten mit 130 Euro am Tag den niedrigsten Wert für NRW einnehmen, reicht das Haushaltsbudget der Senioren rein rechnerisch fast für das ganze Jahr.
Personalkosten treiben die Preise
In die Höhe treibt die Pflegekosten laut Bertelsmann der Personaleinsatz: In NRW sind 63 Prozent der Altenheime in Trägerschaft der Kirchen und Wohlfahrtsverbände, die ihren Mitarbeitern tarifliche Löhne zahlen. Diese liegen deutlich über den Gehältern im Osten. In NRW zahlen zudem alle Träger von Pflegeheimen einen Umlage, um die Ausbildung junger Fachkräfte zu finanzieren. „Das ist auch ein Kostentreiber, aber auch ein Erfolg“, sagt Wolfgang Cremer von der Gewerkschaft Verdi: Die Ausbildungszahlen in Pflegeberufen seien seit 2010 um 40 Prozent auf zuletzt 10 600 Menschen gestiegen. Bertelsmann hält besonders für Westfalen fest: Hier wird der Fachkräftemangel die wenigsten Probleme bereiten.
Ob Pflegebedürftige durch Angehörige, einen ambulanten Dienst oder im Heim versorgt werden, das dürfe nicht vom Preis abhängig sein, warnt indes Christel Bienstein vom Wittener Institut für Pflegewissenschaft: „Bei der Wahl zwischen der günstigeren häuslichen Pflege und dem teureren Heimplatz spielt gerade für finanzschwächere Familien aber genau das eine Rolle.“ Im Rheinland etwa wird besonders häufig zu Hause gepflegt.