Düsseldorf. . Kinder mit und ohne Einschränkung sollen gemeinsam lernen – das nennt man Inklusion. An der Umsetzung in NRW haben Verbände einiges auszusetzen

Der Unmut über die Umsetzung der Inklusion in NRW nimmt zu. Schon im Mai hatten Pädagogenverbände und Gewerkschaften in einer „Mülheimer Erklärung“ laut um Hilfe gerufen: Die Landesregierung mache den Erfolg des gemeinsamen Unterrichts vor allem an der Zahl der behinderten Kinder im Regelunterricht fest. Die Qualität dieses Unterrichts sei zweitrangig, schimpften die Verbände. Im September werden im Landtag gleich zweimal Experten zur Umsetzung der Inklusion angehört. Schon jetzt ist abzusehen: Die Kritik dürfte heftig ausfallen.

Zum Schuljahresauftakt hatte NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) noch einmal vorgerechnet, wie gut sich die Inklusion entwickele. Über 40 Prozent der Kin­der mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ besuchten inzwischen eine allgemeine Schule, an den Grundschulen seien es fast 45 Prozent. In wenigen Jahren soll diese Quote bei 80 Prozent liegen.

Lehrergewerkschaft beklagt zu große Lerngruppen

Den Verband Bildung und Erziehung (VBE) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beeindrucken solche Zahlen kaum. Die Gewerkschaften beobachten ei­ne Besorgnis erregende Entwicklung: Offenbar denken immer mehr Eltern von Kindern mit Behinderungen darüber nach, ihre Kinder möglichst nicht in Regelschulen anzumelden. „Viele dieser Eltern stellen fest, dass die sonderpädagogische Förderung, die sie für ihre Kinder erwarten, an der Regelschule nicht geleistet werden kann“, sagte VBE-Chef Udo Beckmann dieser Zeitung. Dies sei ein „schlimmes Signal“. Die Landesregierung sei dabei, die Inklusion „vor die Wand zu fahren“.

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Die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer kritisiert: „Wir sind weit vom Ziel entfernt, die inklusiven Klassen durchgängig mit zwei Lehrern zu besetzen. Außerdem sind die Lerngruppen zu groß, und vielen Lehrern fehlt die Erfahrung im Umgang mit Kindern mit Behinderungen“, sagte sie. Um die Inklusion erfolgreich zu gestalten, müssten in NRW 7000 zusätzliche Lehrer eingestellt werden, rechnen GEW und VBE vor. „Die Inklusion ist gewollt, aber bitte nicht unter diesen Bedingungen“, ergänzt Beckmann.

Das Schulministerium sieht die Inklusion indes auf gutem Weg. NRW stelle dafür bis 2017 rund eine Milliarde Euro zur Verfügung, erklärte eine Sprecherin. Unter anderem würden damit 3200 Stellen geschaffen. Zudem richte NRW bis 2018 rund 2300 zusätzliche Lehramts-Studienplätze für Sonderpädagogik ein. Kein anderes Bundesland engagiere sich so für die Inklusion.