Essen. . Die Urananreicherungsanlage in Gronau versorgt auch die umstrittenen belgischen Atomkraftwerke. Das Land NRW fordert die Schließung der Fabrik, doch der Bund stellt sich quer

Wenn Atomausstieg – dann richtig. So lässt sich bündig die Position von NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) auf den Punkt bringen. Gemeint ist damit die umstrittene Urananreicherungsanlage in Gronau im Kreis Borken, wo seit 1985 Vorprodukte (Uranhexafluorid) für die Weiterverarbeitung zu Brennelementen in Atomkraftwerken produziert wird. Remmel ist die Uranfabrik seit langem ein Dorn im Auge und will ihre Stilllegung.

Gemeinsam mit den Umweltministern aller Bundesländer hatte er die Bundesregierung zuletzt im Juni aufgefordert, die Atomanlage zu schließen. Dies müsse Teil der Atomausstiegs sein. Vor wenigen Tagen erneuerte er seinen Protest in einem Brief an die Bundesregierung. „Es ist nicht nachvollziehbar“, so Remmel, „dass Gronau trotz Ausstiegsbeschluss weiterhin Brennstoffe auch für sicherheitstechnisch problematische ausländische Atomkraftwerke herstellt.“

Uran für belgische Reaktoren

Was den besonderen Unmut in der NRW-Landesregierung erregt: Der Betrieb in Gronau liefert nach Erkenntnissen des Umweltministeriums auch angereichertes Uran nach Belgien. Die dortigen Meiler Doel und Tihange sind nach Ansicht von Experten ein latentes Sicherheitsrisiko, NRW fordert die Abschaltung der mehr als 40 Jahren alten Reaktoren und geht sogar gerichtlich vor. So liefert das Bundesland Treibstoff an marode Atomkraftwerke, deren Betrieb das Land selbst scharf kritisiert.

Die Bundesregierung denkt indes offenbar nicht an ein Aus für die Atomfabrik. Man habe nicht die Absicht, in Gronau zu einem Ende zu kommen, erwidert Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf Remmels Drängen und stellte sich damit gegen den Beschluss der Länder-Umweltministerkonferenz. Zwar hat die Bundesregierung im Jahr 2011 unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 beschlossen, die einzige kommerzielle Urananreicherungsanlage in Deutschland aber sieht sie von der Entscheidung nicht betroffen.

NRW-Koalitionsvertrag sieht Schließung vor

Im rot-grünen NRW-Koalitionsvertrag ist hingegen die „rechtssichere“ Stilllegung der Uranfabrik bis 2017 festgeschrieben. Das ist leichter formuliert als umgesetzt. Für diese „rechtssichere“ Schließung müsste Gronau in das Atomausstiegsgesetz einbezogen werden. Darum hat sich das Land im Bundesrat mehrfach bemüht, scheiterte damit jedoch stets an der Bundesregierung. Atomrechtlich wird Gronau demnach wie eine normale Industrieanlage behandelt, deren Betrieb die Landesregierung nur dann aus eigener Initiative stoppen könnte, wenn diese gegen Betriebsauflagen verstößt. Das aber vermeidet die Betreibergesellschaft Urenco penibel.

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In Gronau betrachtet man die politischen Querelen zwischen Düsseldorf und Berlin mit offensichtlicher Gelassenheit. Von Schließungssorgen keine Spur: „Davon hat Herr Remmel schon öfters geredet“, sagte ein Urenco-Sprecher dieser Zeitung und verweist auf ein Rechtsgutachten, welches belege, dass die Politik keine Handhabe besitze, das operative Geschäft zu verhindern oder Urenco zu schließen. Im Gegenteil wurde jüngst noch eine weitere fußballfeldgroße Lagerhalle gebaut, in der künftig Uranoxid – nachbearbeitetes Produktionsmaterial – gelagert werden kann. „Das Geschäft floriert“, so der Sprecher.

Betreiber sind gelassen: Wir haben keinen Plan B

Insgesamt beliefere die Urenco-Gruppe mit ihren Standorten in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden mehr als 50 Kunden in 19 Ländern und erziele damit einen Weltmarktanteil von gut 30 Prozent. Vom Atomausstieg fühlt man sich in Gronau nicht bedroht: „Wir sehen uns nicht gefährdet und haben auch keinen Plan B in der Tasche“, heißt es bei Urenco. Über eine mögliche Verlagerung der Anlage ins nahe Ausland „denken wir nicht einmal nach“.

F ür den deutschen Staat halten die Energiekonzerne Eon und RWE gemeinsam 33 Prozent an der Betreiberfirma Urenco. Die Konzerne wollen angesichts des Atomausstiegs ihre Anteile seit langem loswerden, an einem Verkauf der Anteile werde gearbeitet, heißt es bei RWE. Wegen der komplexen Eigentumsverhältnisse sei dies aber überaus problematisch.

Der Protest der Atomkraftgegner, die in den vergangenen Tagen die Zufahrt zu der Atomfabrik blockiert haben, wird aller Voraussicht nach zunächst verpuffen. Ihren Appell an Remmel, Gronau die Betriebsgenehmigung umgehend zu entziehen, hört der Minister wohl. Doch seien ihm leider die Hände gebunden.