Essen. . Der geplante Ausstieg Duisburgs aus dem Nahverkehrsverbund mit Essen und Mülheim stößt auf breite Kritik. NRW-Verkehrsminister Groschek: „Zeichen stehen auf Kooperation“
Der drohende Ausstieg Duisburgs aus der gemeinsamen Nahverkehrsgesellschaft Via mit Essen und Mülheim ist auf scharfe Kritik der rot-grünen Regierungskoalition in Düsseldorf gestoßen. Gerade das Ruhrgebiet dürfe seine Mobilität nicht von kommunalen Kirchtürmen leiten lassen, sagte NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) dieser Redaktion. Grünen-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh sagte, das Revier könne sich gerade im Verkehrsbereich Kleinstädterei nicht erlauben. Wie berichtet, plant Duisburg, aus der Fusion auszusteigen. Ein entsprechender Ratsbeschluss wurde am Montag verschoben.
Via hat über 200 Millionen Fahrgäste im Jahr
Der Anspruch ist äußerst selbstbewusst. Neue Wege im Nahverkehr will man gehen, ein Symbol abgeben für das Zusammenwachsen an der Ruhr, die Reformfähigkeit kommunaler Unternehmen unter Beweis stellen und mit der Marktmacht dreier fusionierter Verkehrsbetriebe den Nahverkehr in der Region noch leistungsfähiger machen. Keine Frage: Via, die gemeinsame Verkehrsgesellschaft der Städte Essen, Duisburg und Mülheim, rollt auf breiter Spur daher. Zumindest im Internet.
Doch in der realen Welt fährt das Gemeinschaftsunternehmen, das mit weit über 200 Millionen Fahrgästen jährlich am Ende des Fusionsprozesses der mit Abstand größte Nahverkehrsbetrieb in der Region gewesen wäre, gerade aufs Abstellgleis.
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Zwar hat der Duisburger Stadtrat am Montag die Abstimmung über den Ausstieg der Duisburger Verkehrsgesellschaft DVG aus dem Via-Konstrukt zum Ende des Jahres überraschend verschoben. Doch die politische Mehrheit in der Stadt will die Scheidung nach wie vor. Die Risiken für die eigene Verkehrstochter seien unkalkulierbar. Offiziell dienen den Ausstiegsbefürwortern rationale Gründe wie der mögliche Verlust der Quersubventionierung des Nahverkehrs aus dem Energiebereich der Stadtwerke-Tochter und „rechtliche Unwägbarkeiten“ bei der Direktvergabe des Nahverkehrs nach EU-Recht als K.o-Argumente. Hinter den Kulissen ist freilich die Rede davon, dass es im Via-Getriebe seit Langem ordentlich knirscht.
Nur Schmalspurvariante bleibt übrig
Nicht einmal sechs Jahre nach dem Start der ersten städteübergreifenden Großfusion dreier Verkehrsbetriebe im Ruhrgebiet, die nicht historisch gewachsen ist, steht das Projekt in seiner bisherigen Form also vor dem Aus. Übrig bleiben wird zunächst nur eine Schmalspurvariante. Essen und Mülheim hatten im Vorfeld durchblicken lassen, sich nach anderen Partnern umsehen zu wollen. Dabei fiel der Name Oberhausen und der der Bogestra (Bochum).
Doch zunächst müsste Via entflechtet werden. Duisburg ist im Verbund nach der Essener Evag immerhin der zweitstärkste Partner, trägt zum gemeinsamen Umsatzerlös ein knappes Drittel bei. Insider bezweifeln auch, dass sich nach dem Scheitern des Dreier-Paktes schnell neue Verbündete finden lassen, die bereit wären, Kompetenzen und Zuständigkeiten an eine städteübergreifende Gesellschaft abzugeben.
Zwischen Fusion und Verbund
Die Fusion der Verkehrsbetriebe im Revier ist seit Langem ein Thema. Im großen Stil fährt stadtübergreifend nur die 1896 gegründete Bogestra.
Eine lockere Zusammenarbeit etwa beim Einkauf von Bussen gibt es über die „Kooperation östliches Ruhrgebiet“ (KÖR) u.a. zwischen Bogestra und Dortmunder Stadtwerke.
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ist kein Verkehrsunternehmen im eigentlichen Sinn. Er organisiert das Angebot – vor allem im Schienenbereich.
Kopfschütteln löst der drohende Nahverkehrs-„Brexit“ im westlichen Ruhrgebiet in der rot-grünen Landesregierung aus. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sagte dieser Zeitung: „Unabhängig von der Einzelentscheidung in Duisburg stehen die Zeichen der Zeit auf Kooperation. Gerade das Ruhrgebiet darf seine Mobilität nicht von den kommunalen Kirchtürmen leiten lassen.“ Besonders beim öffentlichen Nahverkehr zeigten die klassischen Metropolen in Europa, wie man Menschen modern bewegt. „Wer Metropole sein will, muss Metropole machen“, sagte Groschek.
Grünen-Fraktionschef: Ruhrgebiet könne sich Kleinstädterei nicht länger erlauben
Der Chef der Grünen-Landtagsfraktion, Mehrdad Mostofizadeh, bedauert die Duisburger Haltung. „Ein Scheitern von Via wäre bitter“, sagte der Essener im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Ruhrgebiet stehe vor derart weitreichenden Restrukturierungsproblemen, dass es sich Kleinstädterei nicht länger erlauben könne. Besonders im Verkehrsbereich müssten Planungsprozesse im Revier regional abgestimmt werden. Mostofizadeh: „Wenn das nicht freiwillig geht, muss man über andere Mittel nachdenken.“
Ganz ohne Vorgaben von außen geht es schon heute nicht. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat als Finanz- und Verkehrsaufsicht ein Auge auf die Vorgänge um Via. Man stehe grundsätzlich allen Lösungen offen gegenüber, die im Via-Raum zu einer wirtschaftlichen Verbesserung bei mindestens gleichbleibender Verkehrsqualität führen, teilte eine Behördensprecherin gestern auf Nachfrage mit. Insbesondere erwartet die Bezirksregierung Antworten auf die Fragen, wie Duisburg den Ausstieg „verkehrsorganisatorisch“ hinbekommen wolle und mit welchen zusätzlichen Kosten dabei zu rechnen sei. Lösungen, die hier nicht zu Verbesserungen führen, werde man nicht akzeptieren.