Düsseldorf. Zu große Klassen, zu schlechte Ausbildung: Lehrer finden laut einer Forsa-Umfrage den gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht-behinderter Kinder verbesserungsbedürftig.

  • Lehrer beklagen, dass die Lerngruppen weiterhin zu groß sind.
  • Zudem mangele es an sonderpädagogischer Unterstützung.
  • Seit zwei Jahren haben behinderte Kinder einen Rechtsanspruch auf Unterricht an Regelschulen.

Gemeinsamer Unterricht für Kinder mit und ohne Handicap in Nordrhein-Westfalen - wie klappt das inzwischen? Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat seine Mitglieder Noten vergeben lassen. Die Antwort ist eindeutig: schlechte Zensuren.

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage für den Lehrerverband VBE bewerten die befragten Lehrer die sogenannte schulische Inklusion mit der Note "mangelhaft". Das berichtete der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann am Mittwoch bei der Vorstellung der Ergebnisse in Düsseldorf.

Demnach hat sich im zweiten Jahr mit dem Rechtsanspruch behinderter Kinder auf Unterricht an Regelschulen in den Kernbereichen nichts verbessert. Nach wie vor seien die Lerngruppen zu groß, die sonderpädagogische Unterstützung gering und die Zeit zur Vorbereitung ungenügend, kritisierte Beckmann.

Ein Drittel der Grundschulen ohne Sonderpädagogen

Besonders fatal sei, dass fast 1000 der 3000 Grundschulen gar keinen Sonderpädagogen hätten, obwohl von allen sonderpädagogische Förderung erwartet werde. 54 Prozent der inklusiv unterrichtenden Lehrkräfte verfügten laut eigenen Angaben über keinerlei sonderpädagogischen Kenntnisse. Bei nur 3 Prozent war Inklusion ein Teil der Lehrerausbildung.

"Das ist fast so, als würde ein Hausarzt plötzlich am Operationstisch stehen", sagte Beckmann. "Die Grundkenntnisse sind zwar vorhanden, aber es fehlt die fachliche Übung und das Fachwissen."Dementsprechend vergaben die befragten Lehrer sowohl für die personelle Ausstattung als auch für Fortbildungsangebote die Durchschnittsnote "mangelhaft". Fast ein Viertel der Befragten nannte das Personalkorsett sogar ungenügend; jeder Fünfte vergab die schlechteste Note für das Fortbildungsangebot.

Lehrer fordern Doppelbesetzung

"Das heißt eigentlich Nachsitzen", urteilte Beckmann über eines der Prestige-Projekte der rot-grünen Landesregierung. Fast alle Lehrer (89 Prozent) sprachen sich für eine dauerhafte Doppelbesetzung mit Lehrern und Sonderpädagogen in inklusiven Klassen aus. Nach VBE-Berechnungen fehlen dafür 7000 Sonderpädagogen-Stellen in NRW, die den Steuerzahler jeweils rund 50.000 Euro im Jahr kosten würden. Allerdings gebe der Markt soviel Personal wegen mangelnder Vorsorge und unattraktiver Qualifizierungsangebote derzeit nicht her, räumte Beckmann ein.

Die optimale Größe inklusiver Klassen sieht der Verband bei 24 Schülern – dabei seien Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf doppelt zu zählen. Im nächsten Jahr will der VBE, der in Nordrhein-Westfalen nach eigenen Angaben 24.000 Pädagogen organisiert, der Regierung erneut den Spiegel vorhalten. Im Mai 2017 wird in NRW gewählt. Der Sozialverband VdK bemängelte in einer Mitteilung, die Inklusion sei nicht nur in der Schule, sondern auf allen Ebenen ins Stocken geraten.

Forsa hatte vom 16. März bis zum 15. April Telefoninterviews mit 501 Lehrern an allgemeinbildenden Schulen in NRW geführt. Nach Angaben des Berliner Meinungsforschungsinstituts ist die Stichprobe repräsentativ für die Lehrer an allgemeinbildenden Schulen des Landes. (dpa)