Berlin. Die Koalitionsspitzen haben sich auf einen Kompromiss im Streit um strengere Asylregeln geeinigt. Die Probleme stecken in den Details.

Familiennachzug, Integration, sichere Herkunftsländer – die drei Partei-Vorsitzenden der Großen Koalition haben mit ihrem Kompromiss am Donnerstagabend eine Reihe von Neuerungen in der Asylpolitik auf den Weg gebracht. „Das Asylpaket II steht jetzt und das kann sehr schnell durchs Kabinett“, verkündete SPD-Chef Sigmar Gabriel nach seinen Verhandlungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer.

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Kernpunkt des sogenannten Asylpakets II ist die Einrichtung besonderer Aufnahmeeinrichtungen, in denen die Anträge bestimmter Flüchtlinge im Schnellverfahren erfolgt. Drei bis fünf dieser Zentren sind geplant. Darauf hatte man sich bereits im November verständigt. Dazu gehören etwa Personen aus sicheren Herkunftsländern oder solche mit Wiedereinreisesperren. Aber auch Asylsuchende, die keine Bereitschaft zur Mitwirkung zeigen, falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht oder Dokumente mutwillig vernichtet haben, sollen darunter fallen.

Darüber hinaus haben sich die Parteichefs am Donnerstagabend auf weitere Punkte geeinigt. Und so sehen die Einigungen und ihrer Risiken aus:

Familiennachzug wird eingeschränkt

• Die Regelung: Für Flüchtlinge, „die nicht unmittelbar persönlich verfolgt“ sind – die also nur einen eingeschränkten („subsidiären“) Schutzstatus genießen – wird der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt. Darunter fallen jene Flüchtlinge, die sich in Deutschland nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen – die aber trotzdem nicht heimgeschickt werden, weil ihnen in ihrer Heimat etwa die Todesstrafe oder Folter droht. Die Beschränkung soll nach zwei Jahren automatisch auslaufen.

Die Verschärfung beim Familiennachzug war noch im Herbst am Widerstand der SPD gescheitert. Auf Drängen der Sozialdemokraten gibt es nun eine Sonderregelung für Flüchtlinge, die per Kontingent künftig aus Camps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon gezielt nach Europa geholt werden sollen. Dieser Punkt zielt vor allem auf Bürgerkriegs-Flüchtlinge aus Syrien.

• Das Problem: Die Kontingente müssen erst noch mit den Regierungen der drei Länder vereinbart werden – im optimalen Fall gemeinsam mit weiteren Staaten der Europäischen Union. Mit der Frage der Kontingente steht und fällt ein Kernpunkt der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Kommt es hier nicht möglichst bald zu einer Einigung, muss neu beraten werden.

Bessere Perspektiven für junge Flüchtlinge

• Die Regelung: Zudem haben die Parteichefs von Union und SPD eine Neuregelung für junge Flüchtlinge vereinbart: Wer als Asylbewerber nach Deutschland kommt, hier eine Ausbildung beginnt und diese dann auch erfolgreich abschließt, soll danach zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. Dies soll „mehr Rechtssicherheit und Verfahrensvereinfachungen für auszubildende Flüchtlinge und ausbildende Betriebe schaffen“, so das Asylpapier. Gegen diese Regelung hatte sich bislang die Union gesperrt.

• Das Problem: Die Chance für junge Flüchtlinge, in Deutschland einen Ausbildungsplatz zu bekommen und die Ausbildung auch zu Ende zu führen, ist nicht eben hoch. Oft mangelt es an Sprachkenntnissen und ausreichender Schulbildung. Viele Schulen sind zudem mit den zum Teil stark steigenden Zahlen ausländischer Schüler überfordert, eine gezielte Förderung ist oft nicht zu leisten. Insgesamt hapert es bei der Integration. Auch um den Integrationswillen der Asylbewerber insgesamt zu fördern, hat die Koalitionsrunde beschlossen, für Integrationskurse künftig zehn Euro im Monat von den Teilnehmern einzufordern. Das Geld wird ihnen von den gesetzlich zustehenden Leistungen abgezogen.Erfolgsaussichten: ungewiss.

Schnellere Abschiebung von Nordafrikanern

• Die Regelung: Die Parteichefs verständigten sich darauf, Marokko, Algerien und Tunesien künftig zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären. Das bedeutet: Asylbewerber aus diesen nordafrikanischen Ländern sollen schneller als bisher wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Als sicheres Herkunftsland gelten laut Bundesamt für Migration jene Staaten, bei denen sich „aufgrund des demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage in diesem Land nachweisen lässt, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten“ ist.

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Die Erweiterung ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die Ereignisse der Silvesternacht in Köln und anderen Städten. Dort hatten Gruppen von Männern massenweise Diebstähle und sexuelle Übergriffe auf Frauen begangen. Bei den Tätern soll es sich überwiegend um Migranten aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum handeln.

• Das Problem: Dieser Plan ist nicht an das Asylpaket gekoppelt, zu seiner Umsetzung ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Dort haben CDU und SPD aber keine Mehrheit, weshalb Stimmen der Grünen notwendig sind. Bei den zuletzt erfolgten Erweiterungen der Liste der sicheren Herkunftsstaaten auf Länder des Westbalkans hatten der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, sowie die schwarz-grün regierte Hessen der Bundesregierung die Mehrheit in der Länderkammer gesichert. Ob diese Länder diesmal wieder zustimmen, muss sich erst noch zeigen. Außerdem ist der Begriff „sicher“ für diese Länder umstritten. Das Entwicklungsministerium stellt in einer aktuellen Einschätzung etwa zur Lage in Marokko fest, das Land sei zwar ein „stabiler und berechenbarer Partner in der Region“. Die Menschenrechtslage sei aber „durch ein gemischtes Bild geprägt“.