Ruhrgebiet. . Viele Kommunen im Ruhrgebiet befürchten höhere Kosten bei der medizinischen Behandlung von Flüchtlingen. Gegenwind für die Gesundheitsministerin.
In bislang acht NRW-Städten können Flüchtlinge ab dem 1. Januar so wie jeder Bürger mit einer elektronischen Karte zum Arzt gehen. Aus Sicht des Gesundheitsministeriums wird damit nicht nur ein Menschenrecht umgesetzt. Den Kommunen sollen auch Verwaltungs- und Personalkosten erspart werden. Oberhausen und Mülheim überzeugte das Modell, das in Bremen und Hamburg seit Längerem erfolgreich angewandt wird. In vielen anderen Revierstädten ist hingegen der Widerwille groß. Angezweifelt wird vor allem die versprochene Kostenreduzierung.
In Essen beispielsweise könnten laut Sozialamtsleiter Hartmut Peltz keine Personalkosten eingespart werden. Die Abrechnung mit den Krankenkassen führe ein externer Dienstleister durch. Würde Essen die Karte einführen, „wären die Kosten viermal so hoch wie heute.“ Peltz glaubt auch nicht an einen erleichterten Arztbesuch: In Essen werde den Flüchtlingen zu Beginn eines Quartals der Behandlungsschein zugeschickt, so dass sie nicht zum Sozialamt gehen müssten.
Unnötige Wartezeiten
Diese Argumentation stößt im Gesundheitsministerium „auf erhebliches Unverständnis“. Aus „rein humanitärer Sicht“ sollte jeder Mensch auch direkt zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen können, erklärt ein Pressesprecher. Durch unnötige Wartezeiten könnten sich die Kosten einer Behandlung erhöhen. Studien und gesammelte Erfahrungen zeigten, dass es zu Einspareffekten komme. Die Gesundheitskarte solle nicht teurer sein.
Dortmunds Stadträtin Birgit Zoerner bestreitet den Erfolg in Hamburg und Bremen nicht. Sie rechnet jedoch mit einer Kostenexplosion in Dortmund, sollte die Gesundheitskarte für Flüchtlinge dort eingeführt werden. 1,4 Millionen Euro würden zusätzlich anfallen, wenn die Kosten für die Gesundheitsversorgung eines Flüchtlings monatlich um nur 30 Euro steigen sollten (bei 4000 Asylbewerbern). Die Verwaltung der Karte dürfte in Dortmund rund 440 000 Euro pro Jahr kosten. Dem gegenüber könnten laut Zoerner nur rund 210 000 Euro Personalkosten eingespart werden. Fazit: Die Arbeit werde nicht vereinfacht, das finanzielle Risiko bewege sich „in einer bedenklichen Größenordnung“.
Bochum will die Gesundheitskarte einführen
In Bochum setzt sich der neu gewählte Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) für die Gesundheitskarte ein. „Wir in Bochum sollten mit die ersten sein, die diese Möglichkeit nutzen“, wirbt Eiskirch auf seiner Homepage.
Der Sozialausschuss hat für die Einführung votiert, am 12. November trifft der Rat die endgültige Entscheidung.
In Düsseldorf hat der Stadtrat bereits die Einführung der Gesundheitskarte beschlossen.
Duisburgs Verwaltung sieht das ähnlich. Das bisherige System mit den Behandlungsscheinen habe sich bewährt. Stadtdirektor Reinhold Spaniel werde dem Rat „nicht empfehlen, der Gesundheitskarte zuzustimmen“. Der Chef des Dezernats Arbeit, Soziales, Sport hält es „für einen fatalen Fehler, nicht eine bundesweite Regelung zu finden.“ Da die Teilnahme den Kommunen selbst überlassen ist, könnten „auf zwei Kilometer“ unterschiedliche Systeme gelten. Eine politische Entscheidung steht in Duisburg noch aus.
In Herne hingegen ist das Thema vorerst durch. Der Rat lehnte Ende September Steffens’ Vorschlag ab. Sozialdezernent Johannes Chudziak kalkuliert die Mehrkosten jährlich auf 700 000 Euro. „Wir müssten zum Beispiel die Ausgabe der Karte koordinieren. Das bedeutet einen erheblichen administrativen Aufwand.“ Problematisch sei außerdem, dass auf der Karte bisher nicht erkennbar ist, ob der Besitzer anerkannter Asylbewerber ist.
Zu hohe Kosten in Bottrop
Auch in Bottrop wird es vorläufig keine Gesundheitskarte für Flüchtlinge geben. Das derzeitige KV-Modell biete die gleichen Leistungen und verringere die Personalkosten, erklärt Renate Palberg (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses. Das Modell der Kassenärztlichen Vereinigung sei 1,4 Millionen Euro günstiger. Aus ihrer Sicht hat sich „das Ministerium von den Krankenkassen über den Tisch ziehen lassen“.