Gladbeck. Rahmine Baraksei kam als Asylantin nach Deutschland. Jetzt lebt sie wieder in Afghanistan, kann aber nicht bleiben. Sie weint um ihre Hoffnung, in Afghanistan alt werden zu dürfen. „Wir können nicht mehr dort leben.” Weil die Angst wieder allgegenwärtig ist. Schlimm, fast lebensbedrohlich.

„Stolz” ist ein Wort, das Rahmine Baraksei häufig gebraucht. Stolz und Angst haben sie, ihren Sohn und Mann 1990 nach Gladbeck fliehen lassen. „Wir standen unter der Beobachtung des russischen Regimes, mussten täglich mit der Verhaftung rechnen”, sagt sie. In Deutschland hat die Familie Asyl beantragt. 14 Jahre blieb sie. 14 lange Jahre, in denen die studierte Lehrerin eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolvierte, in denen der Sohn das Abitur baute und Medizin studierte. Arbeiten wollte wie der Vater Doud, der in der Ferne allerdings darunter litt, dass er seiner Profession als Arzt 14 lange Jahre nicht nachkommen durfte.

Finanzielle Abhängigkeit

„Das Asylverfahren wurde zunächst abgelehnt”, erinnert sich Rahmine Baraksei heute. Erst 2002 bekam die Familie den Deutschen Pass und damit die deutsche Staatsangehörigkeit. Da stand für Rahmine und ihren Mann schon lange fest, dass sie in ihre Heimat am Hindukusch zurückkehren wollen. „Wir konnten die finanzielle Abhängigkeit hier nicht ertragen”, sagt die 41-Jährige. Da ist er wieder, dieser Stolz. Er lässt die dunklen Augen der Frau fast kämpferisch erstrahlen. Schon während der Zeit in Deutschland war Doud immer wieder nach Pakistan gereist, hatte Kontakt zu verschiedenen Hilfsorganisationen geknüpft, hatte in den Flüchtlingslagern als Arzt gearbeitet, hatte kranke Kinder zur Behandlung mit nach Deutschland gebracht.

Beitrag zum Wiederaufbau

„Er wollte arbeiten”, sagt Rahmine. Und nach 2001 habe sich eine Euphorie eingestellt. „Wir wollen einen Beitrag leisten zum Wiederaufbau unseres Landes.” So kehrten sie zurück. Nicht nach Kabul, sondern nach Herat. Der drittgrößten Stadt im Westen Afghanistans. Im elterlichen Besitz eröffnete Doud eine Praxis. Hier kümmert er sich um die Ärmsten der Armen. „Nachdem die Flüchtlingslager in Pakistan größtenteils geschlossen wurden, gibt es auch Lager rund um Herat und Kabul“, berichtet Rahmine Baraksei. Denn das Leben in Afghanistan ist auch am Ende der ersten Amtsperiode von Präsident Karsai weder sicher noch komfortabel.

Mit Tränen in den Augen und erstickter Stimme berichtet Baraksei von armen Menschen, die im Sommer auf dem Boden kauernd der heißen Sonne trotzen und im Winter den bitterkalten Schneestürmen. Sie berichtet von ihrem Alltag, der sich für Frauen in der Öffentlichkeit erneut nur unter der Burka abspielen darf. Von alten Rivalitäten zwischen Mudschaheddin und Taliban, die neu entfachen. Von ihrem Engagement im Keller des Privathauses. Dort unterrichtet die studierte Lehrerin junge Mädchen, bringt ihnen Deutsch und Englisch bei.

Gegen Vorurteile zu kämpfen

Sie erzählt vom Kampf der Familie um Anerkennung in der alten Heimat. „Wir haben gegen Vorurteile zu kämpfen. Viele werfen uns vor, dass wir uns abgesetzt haben, dass wir, als Afghanistan in Asche lag, im Ausland gut gelebt haben.”

Zwar habe ihr Mann zwischenzeitlich einen guten Ruf bei den Menschen in Herat. Dennoch sei die finanzielle Basis des Ehepaares nicht gesichert. Nach der Flucht 1990 wurden Ländereien und Haus verteilt. Jetzt bemühen sie sich, das alte Eigentum zurückzubekommen und merken, dass sie im bürokratischen, korrupten Sumpf zu versacken drohen. Unzählige Male ist Rahime zwischen der Hauptstadt Kabul und der Privinzstadt Herat hin- und hergependelt. „Es braucht Wochen, bis geklärt ist, wer zum Beispiel zuständig ist für eine Zulassung”, berichtet sie.

„Es steht uns doch zu”, sagt sie und ihre Augen füllen sich erneut mit Tränen. Dabei denkt sie nicht nur an den eigenen Besitz. Sie trauert um ihre Heimat, in der die „Mudschaheddin immer noch die Herren des Landes sind”, in der Fördergelder in allen möglichen Kanälen, aber nicht in der Kanalisation von Kabul verschwinden. Und sie weint um ihre Hoffnung, in Afghanistan alt werden zu dürfen. „Wir können nicht mehr dort leben.” Weil die Angst wieder allgegenwärtig ist. Schlimm, fast lebensbedrohlich. Aber das Hilfsprojekt Afghanistan ist für ihren Mann Doud noch nicht beendet. Der Stolz hindert das Ehepaaar daran. Am Hindukusch darf und kann Doud arbeiten. Und so lange er helfen kann, bleiben sie.