Düsseldorf. NRW-Steuerfahnder sind auf der Spur eines groß angelegten Schwindels. Das Land hat wieder eine Daten-CD gekauft, die Hinweise auf Betrüger enthält.

  • Für fünf Millionen Euro wurde eine Steuer-CD gekauft, die Hinweise auf Banken und Finanzdienstleister liefern soll, die bei der Kapitalertragssteuer betrogen haben sollen
  • Offenbar lässt sich bei Kapitalgeschäften im Volumen von 70 Milliarden nachweisen, wie Beteiligte mit Scheingeschäften den Fiskus hereinlegten
  • Nordrhein-Westfalen hat seit 2010 mehr als zwei Milliarden Euro zusätzlich eingenommen

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat im Kampf gegen Steuerbetrug offenbar die neunte Daten-CD seit 2010 ankaufen lassen. Wie am Wochenende aus mehreren Quellen verlautete, hat das Land für fünf Millionen Euro Hinweise auf deutsche und ausländischen Banken sowie Finanzdienstleister erworben. Die höchste Summe für eine CD erkläre sich mit dem Material. Offenbar lässt sich bei Kapitalgeschäften im Volumen von 70 Milliarden nachweisen, wie Beteiligte mit Scheingeschäften den Fiskus hereinlegten.

„Technische Lücken zu nutzen, um sich Steuern erstatten zu lassen, die man nicht bezahlt hat, ist die gemeinste Form der Bereicherung zu Lasten der Allgemeinheit“, sagte Walter-Borjans unserer Redaktion. „Die Steuerfahnder aus NRW werden mit allen legalen Mitteln die Spuren – dazu gehört auch ein Ankauf von Daten - konsequent verfolgen und die Geschäfte als kriminellen Betrug entschleiern.“

Organisierter Steuerbetrug im großen Stil

Ging es den Finanzbehörden in der Vergangenheit darum, mit Hilfe gestohlener Daten aus ausländischen Banken an Schwarzgeld-Konten der Betuchten zu gelangen, so haben sie sich diesmal organisierten Steuerbetrug im großen Stil vorgenommen.

Für fünf Millionen Euro – die höchste jemals für eine Daten-CD ausgegebene Summe – kauften die Fahnder Hinweise auf Banken und Finanzdienstleister, die mit der Rückerstattung von Kapitalertragsteuer den Fiskus betrogen haben sollen. Von Geschäften mit einem Volumen über 70 Milliarden Euro ist die Rede. Bei einer nur durchschnittlichen Dividende könnte dem Staat bereits ein immenser Steuerschaden entstanden sein.

Es geht um so genannte Leerverkäufe, bei denen sich internationale Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktienpakete hin und her schieben und dann zu Unrecht Kapitalertragsteuern, die nur einmal gezahlt wurden, mehrfach rückerstatten lassen. Um Doppelbesteuerungen zu vermeiden, haben internationale Investoren im Aktienhandel unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Rückerstattung von in Deutschland anfallenden Kapitalertragsteuern.

Luxemburger Bank im Visier

Die Ermittlungen der spezialisierten Wuppertaler Steuerfahndung sind offenbar bereits angelaufen. Durchsuchungen stehen bevor. Angeblich ist auch wieder eine Bank in Luxemburg im Visier. Das NRW-Finanzministerium hielt sich bedeckt: „Datenmaterial, das wir angeboten bekommen, wird laufend von unseren Experten auf Werthaltigkeit geprüft“, erklärte eine Sprecherin ganz allgemein auf Anfrage unserer Zeitung.

Auch interessant

Von Tobias Blasiuszur Steuer-CD

Grünen-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh unterstützte offensiv den Kurs der Landesregierung, mit Hilfe von immer neuen Daten-CDs weiter für Unruhe im Finanzsektor zu sorgen. „NRW setzt sich weiter konsequent für Steuergerechtigkeit ein. Es ist richtig und wichtig, dass der Finanzminister den Fahndungsdruck aufrechterhält und so auch zu Selbstanzeigen motiviert“, sagte Mostofizadeh unserer Zeitung.

Schon zwei Milliarden Euro Extra-Einnahmen für NRW seit 2010

Bislang hat sich der Kampf gegen Steuerhinterziehung finanziell bezahlt gemacht: Allein Nordrhein-Westfalen hat seit 2010 mehr als zwei Milliarden Euro zusätzlich eingenommen. Bundesweit sollen sich die Mehreinnahmen sogar auf bis zu fünf Milliarden Euro belaufen. Vor allem die Zahl der Selbstanzeigen reuiger Steuersünder hat mit 120.000 ein kaum erwartetes Ausmaß erreicht. Ein Ende ist nicht in Sicht: Für die NRW-Steuerfahnder sind die Daten-CDs offenbar auch Schulungsmaterial. Sie verstehen immer besser, wie ausländische Banken deutsche Kunden zur Hinterziehung einladen. Walter-Borjans sieht in den moralisch fragwürdigen Ankäufen gestohlener Daten eine Art staatlicher „Notwehr“, die er so lange fortsetzen will, bis typische Steuerflucht-Länder einen transparenten Informationsaustausch der Behörden zulassen.