Düsseldorf/Brüssel. . NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans über Steuerbetrug und die Frage, mit welcher Strategie die Behörden am besten dagegenhalten können.

Mit dem Ankauf von CDs aus der Schweiz mit Daten deutscher Steuerbetrüger hat er sich einen Namen gemacht. Nun will sich NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) verstärkt um die kreative Steuervermeidung durch Unternehmen kümmern. Knut Pries sprach mit ihm über Schlupflöcher, unfairen Wettbewerb und die Möglichkeit, Steueroasen trockenzulegen.

Herr Walter-Borjans, Sie sind in Sachen Steuern der Rächer der Enterbten. In Europa weht ja mittlerweile ein anderer Wind: Gläserne Konten, Initiativen für fairen Steuerwettbewerb, reumütige Firmen – was gibt es noch zu tun?

Norbert Walter-Borjans: Wenn man den Worten folgt, sind wir fast schon am Ziel. Aber wie mein Schweizer Ex-Kollege Merz sagt: „Geld fließt dahin, wo es Ritzen gibt.“ Die Ritzen zu stopfen wird eine Daueraufgabe bleiben.

Beim Missbrauch von Steuer-Vorbescheiden zugunsten von Konzernen wird auf EU-Ebene ermittelt – dürfen wir schonungslose Aufklärung erwarten?

Walter-Borjans: Da treffen sich engagierte politische Kräfte, die sagen: So geht es nicht weiter. Und konservative Kräfte, die eine Lösung mindestens auf die lange Bank schieben wollen.

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Von Dietmar Seher und Wilfried Goebels

Wer die Oberhand behält, ist offen. Deswegen muss Deutschland den Engagierten den Rücken stärken.

Brauchen wir eine Aufarbeitung der Missstände, oder reicht es, für Abhilfe in Zukunft zu sorgen?

Walter-Borjans: Das Eine geht nicht ohne das Andere. Unternehmen und Banken reagieren ökonomisch, nicht moralisch. Sie haben die legalen Möglichkeiten bis an die Grenze ausgenutzt. Deshalb geht es darum, den Rahmen so zu ändern, dass sie das nicht fortsetzen. Es gibt aber auch klar ungesetzliches Geschäftsgebaren wie etwa die Beihilfe von Banken zur Steuerhinterziehung. Hier schöpfen wir natürlich ab, was in früheren Zeiten an unkorrekten Gewinnen erzielt worden ist.

Im Fokus stehen Länder wie Benelux und Irland, die mit unlauteren Methoden Multis ins Land gelockt und damit Staaten wie Deutschland um Steuereinnahmen gebracht haben. Ist NRW auch unter den Geschädigten?

Walter-Borjans: Bei der Aufarbeitung durch Kommission und Parlament stellt sich heraus: Unter den Unternehmen, die profitiert haben, sind auch solche mit Sitz in NRW.

Zum Beispiel Bayer?

Walter-Borjans: Steuergeheimnis! Aber sagen wir so: Es wäre ein Wunder, wenn wir in NRW mit einem Fünftel der deutschen Wirtschaftskraft außen vor wären.

Die Kommission hat eine Schwarze Liste mit 30 Steuerparadiesen zusammengestellt, die man unter Druck setzen will. Wie geht das?

Walter-Borjans: Da muss man auch in der EU Klartext untereinander reden. Ob es die Kanalinseln im eigenen Dunstkreis sind oder die Jungferninseln in weiter Ferne – angesichts der vielen Wünsche, die das Vereinigte Königreich an die EU hat, darf man vielleicht auch mal eine Erwartung in umgekehrter Richtung äußern.

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Bei Steuerparadiesen außerhalb hat die EU gute Möglichkeiten, für die Einhaltung der Regeln Druck zu machen. Wenn die nicht ausgeschöpft werden, dann deshalb, weil es in der EU offenbar Regierungen gibt, die das gar nicht wollen, sondern die nur so tun. Sie reden jetzt nicht mehr von „Steuerwettbewerb“, sondern über Ausnahmen und Verschiebungen.

Es müssen sich aber alle an das Prinzip halten, dass man sein Geld versteuert, wo man es verdient. Wenn Starbucks alle Kaffee-Läden in Irland hätte, wäre es okay, wenn sie mit dem dortigen Steuersatz belastet würden. Aber bitte nicht bei uns Kaufkraft, Infrastruktur und Mitarbeiter nutzen und dann über eine Lizenz in Irland Mini-Steuern zahlen.