Düsseldorf. . Neues Gesetz regelt die landesweite Verteilung der oft traumatisierten Minderjährigen. Das soll Städte wie Dortmund entlasten.

Die rot-grüne Landesregierung richtet sich auf einen starken Anstieg der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in diesem Jahr ein. Nach Schätzungen der Bezirksregierung Arnsberg sind aus Krisengebieten bereits 5000 junge Menschen ohne ihre Eltern nach NRW gekommen.

Angesichts der aktuellen Dynamik könne man derzeit keine solide Prognose für das Gesamtjahr abgeben, erklärte die Sprecherin der scheidenden Familienministerin Ute Schäfer (SPD) am Dienstag. Die Jugendämter machen sich jedenfalls auf eine gewaltige Herausforderung gefasst. Bundesweit würden 2000 neue Fachkräfte und zusätzliche Finanzhilfen benötigt, um die oft traumatisierten Kinder und Jugendlichen angemessen betreuen zu können, sagte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Birgit Zeller. Die NRW-Landesregierung hat vorsorglich im Haushalt 2016 für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge 155 Millionen Euro reserviert – ein Plus von 68 Millionen Euro.

Vielfältige Hilfe nötig

Ab 1. November soll die Verantwortung für Flüchtlingskinder gleichmäßiger verteilt werden. Bundes- und landesgesetzliche Regeln sollen so geändert werden, dass theoretisch alle Jugendämter für die Versorgung und Betreuung in Anspruch genommen werden können. Bislang war die Stadt zuständig, in der die Minderjährigen ankamen.

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In NRW erhoffen sich vor allem die Jugendämter Dortmund, Aachen, Köln und Bielefeld Entlastung. Sie hatten bislang den Großteil der meist aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea stammenden Minderjährigen aufgenommen. Künftig soll das Landesjugendamt Rheinland eine gerechte Verteilung auf die NRW-weit 186 Jugendämter organisieren. Im Familienministerium wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ausschließlich die Hilfe für diese Flüchtlingsgruppe koordiniert.

Die Erstaufnahme von Flüchtlingskindern gilt als sehr aufwendig und wird vor allem mit Hilfe von Experten der Wohlfahrtsverbände bewältigt. In einer durchschnittlich dreimonatigen „Clearingphase“ in spezialisierten Einrichtungen muss der Betreuungs- und Hilfebedarf der Minderjährigen ermittelt werden. Viele der Ankommenden sind durch Fluchtereignisse, Gewalt in der Heimat oder durch sexuellen Missbrauch verstört. Die Jugendämter müssen aufenthaltsrechtliche Fragen klären, die dauerhafte Unterbringung organisieren, überdies psychologische oder pädagogische Hilfe sicherstellen.

Das Dortmunder „Clearinghaus“ der Arbeiterwohlfahrt etwa gilt als Spezialist für die Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge. Erfahrungen sollen künftig systematisch an andere Jugendämter in NRW weitergereicht werden, die erstmals schutzbedürftige junge Menschen aus Krisengebieten aufnehmen.

Die geschätzten Kosten betragen 30.000 Euro pro Flüchtlingskind und Jahr. Zum Vergleich: Bei Erwachsenen werden nur etwa 8000 Euro veranschlagt. Die Kommunen müssen die Verwaltungskosten schultern, für Unterbringung und Versorgung soll das Land vollständig aufkommen.

Die FDP-Fraktion hat die Landesregierung am Dienstag in einer Kleinen Anfrage aufgefordert, „Kompetenzkonflikte“ in den Kommunen zwischen Jugendamt, Sozialamt und Job-Center um Fragen des Schulbesuchs, der Vormundschaft oder des Lebensunterhalts durch ein klares Regelwerk auszuschließen.