Berlin. Nur Sachleistungen, kein Geld im Voraus: Die Regierung setzt in der Flüchtlingskrise auf neue Restriktionen. Fachleute halten das für grundfalsch.
- Auszahlung von Geld soll nur einen Monat im Voraus möglich sein
- Drei weitere Balkan-Länder - Albanien, das Kosovo und Montenegro - sollen als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden
- Hilfsorganisationen wie Pro Asyl oder Amnesty International halten die Pläne für fragwürdig
Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen erhöht die Regierung in der Asylpolitik das Tempo. Im Eilverfahren will die Koalition ihr Gesetzespaket durchs Parlament treiben.
Am Dienstag gab das Bundeskabinett grünes Licht, noch in dieser Woche soll die erste Lesung im Bundestag stattfinden. Parlament und Bundesrat könnten dann Mitte Oktober zustimmen. Während Teilen der Union der Entwurf nicht weit genug geht, reagieren Hilfsorganisationen und Migrationsexperten mit Kritik. Die wichtigsten Punkte:
Mehr Geld vom Bund
Die meisten Kosten – Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung – tragen Länder und Kommunen. Der Bund will sich daran stärker beteiligen. Für das laufende Jahr verdoppelt der Bund seine Hilfe auf zwei Milliarden Euro. Ab 2016 zahlt Berlin den Ländern eine Pauschale von monatlich 670 Euro je Flüchtling, und zwar von der Registrierung bis zum Ende des Asylverfahrens. Für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger zahlt der Bund 350 Millionen Euro im Jahr.
Sachleistungen statt Bargeld
In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Barzahlungen wie etwa Taschengeld durch Sachleistungen ersetzt werden. Rechtskräftig abgelehnten und ausreisepflichtigen Menschen, die das Datum für eine freiwillige Ausreise verstreichen lassen, werden die Leistungen gekürzt. Sie erhalten bis zur endgültigen Ausreise oder der Abschiebung nur noch das Lebensnotwendige in Form von Sachleistung.
Raschere Abschiebung
Wer bessere Lebensbedingungen sucht aber nicht wegen Krieg oder Verfolgung einreist, soll schneller abgeschoben werden. Die Länder dürfen Abschiebungen nur noch für maximal drei Monate aussetzen.
Zusätzliche Unterkünfte
Der Bund übernimmt die Verteilung der Schutzsuchenden auf die Länder und richtet „Wartezentren“ für Neuankömmlinge ein. Um schneller neue Unterkünfte errichten zu können, soll das Bauplanungsrecht befristet gelockert werden.
Flüchtlinge aus Westbalkan-Ländern sollen bis zu sechs Monate und damit bis zum Ende des Asylverfahrens in den Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben. Bund und Länder verabredeten, 150 000 Erstaufnahmeplätze zu schaffen.
Bessere Integration
Wer in Deutschland bleiben darf, soll mit Integrationskursen rasch in Gesellschaft und Arbeitswelt eingegliedert werden. Nach drei Monaten dürfen Asylbewerber und Geduldete als Leiharbeiter arbeiten, sofern sie Fachkräfte sind. Für geringer Qualifizierte ist dies erst nach 15 Monaten möglich.
Die Westbalkan-Staaten
Um die Asylverfahren zu beschleunigen, werden nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina auch Albanien, Kosovo und Montenegro asylrechtlich als sichere Herkunftsstaaten eingestuft (siehe Grafik).
Kritik an den Asylregeln
Bereits am Tag nach der Verabschiedung des Asyl-Pakets durch das Kabinett fordern Teile der Union weitere Verschärfungen, etwa Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn für Flüchtlinge. Auch sollten Asylbewerber, die keine Aussicht auf Anerkennung hätten, schon an der Grenze abgewiesen werden können (Flughafenverfahren).
Der Rat für Migration, ein Zusammenschluss von rund 100 Wissenschaftlern, kritisierte die Pläne hingegen scharf. Damit setze die Bundesregierung „eine Politik fort, die auf Abschreckung und Abschottung basiert“, sagte Werner Schiffauer, Vorsitzender des Netzwerks. Die Umstellung auf Sachleistungen bringe mehr Verwaltungsaufwand und werde Flüchtlinge kaum abhalten. Auch habe sich gezeigt, dass die Einstufung von „sicheren Herkunftsstaaten“ Asylverfahren kaum beschleunige, so Schiffauer. Die Pläne seien überwiegend wirkungslos.