New York. . Lange herrschte totale Funkstille zwischen Russland und der USA. Jetzt wollen die Präsidenten wieder miteinander reden über eine Befriedung Syriens.

Im Kino nennt man es „Teaser“. Ein Zusammenschnitt der besten Szenen, die Lust aufs Ganze machen sollen. Legt man das Kriterium an die zwei wichtigsten von insgesamt 196 Reden an, die seit Montag bei den Vereinten Nationen in New York gehalten werden, bleibt unscharf, ob der Hauptfilm ein Kassenschlager wird.

US-Präsident Barack Obama und sein russisches Gegenüber Wladimir Putin ließen vor ihrem ersten Vier-Augen-Gespräch nach einem Jahr Sendepause allenfalls ansatzweise erkennen, wo die Schnittmenge liegen könnte, um den wichtigsten Krisenherd der 70. UN-Vollversammlung einzudämmen: Syrien, Islamischer Staat (IS) und die Folgen. Wie lange noch mit Assad? Ab wann auf keinen Fall mehr mit Assad? Die Antwort auf die zentralen Fragen steht weiter aus.

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Obama machte bei seinem 45 Minuten langen, selten von Höflichkeitsbeifall unterbrochenen Auftritt vor den Vertretern der Weltgemeinschaft zwar klar, dass die USA auch mit Russland und dem Iran zusammenarbeiten wollen, um nach vier Jahren Bürgerkrieg, 250.000 Toten und fünf Millionen Flüchtlingen eine Lösung zu finden und das Terror-Netzwerk IS zu zerschlagen. Diktator Baschar-al-Assad könne aber in einem Syrien der Zukunft keine Rolle mehr spielen. „Er hat Fassbomben auf unschuldige Kinder geworfen“, sagte Obama, und nannte den Herrscher in Damaskus einen „Tyrannen“.

Wo die USA Despoten verjagten, herrscht heute Chaos

Die Bruchlinie zu Russland, das in Assad den „rechtmäßig gewählten Führer seines Volkes sieht“, den man im Kampf gegen die Tempelzerstörer und Kopfabschneider des IS stärken müsse und nicht schwächen dürfe, war damit aber nicht gezogen. Obama ließ das Fenster zu einer Verständigung mit Putin einen Spalt breit offen: „Realismus diktiert die Notwendigkeit von Kompromissen. Und Kompromiss bedeutet einen gestalteten Übergangsprozess weg von Assad hin zu einem neuen Anführer.“

Ein Köder, den Putin, der nach zehn Jahren UN-Abwesenheit eine Stunde später ans Pult trat, demonstrativ unberücksichtigt ließ. Er hatte sein Ziel, Obama in eine Debatte auf Augenhöhe um die russische Beteiligung an der Lösung des Syrien-Konflikts zu zwingen, bereits vorher erreicht. Seine 25-minütige Sprechzeit nutzte der russische Präsident zu einer teils versteckten General-Abrechnung mit amerikanischem Dominanz-Streben. Tenor: Da, wo die USA Regime gestürzt hätten, sei Instabilität und ein Nährboden für internationalen Terrorismus entstanden.

UN-Resolution soll eine wirksame Allianz fördern

Um den Kampf gegen den IS zu gewinnen, regte Putin eine UN-Resolution an, die alle militärischen Aktivitäten koordiniert. Er verglich die dazu notwendige Koalition mit dem Bündnis gegen Nazi-Deutschland. Putin ließ keinen Zweifel, dass Assad für ihn eine zentrale Rolle spielt. „Es ist ein gewaltiger Fehler, nicht mit der syrischen Regierung und ihrer Armee zu kooperieren.“ Nur Assad kämpfe wirklich gegen den Islamischen Staat. Genug Zündstoff also für das später angesetzte Spitzentreffen.

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Obama blieb zuletzt nicht verborgen, dass Putin mit seiner Pro-Assad-Haltung nicht allein steht. Auch Iran und Irak sprechen sich dafür aus, den Alawiten-Herrscher zu stützen. Begründung: Wer ihn entfernt, riskiert den Zusammenbruch sämtlicher Rest-Strukturen in Syrien - und einen noch größeren Genozid. Eine Einschätzung, die in Europa auch in Berlin, London, Wien und Madrid zu hören ist. Dort verweist man auf das von den USA erzeugte Vakuum im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins. Die Zerschlagung der den Staats-Apparat dominierenden Baath-Partei habe das heutige Chaos mitverursacht.

Spekulationen über einen Ausweg für Syrien

Wie ein Syrien-Kompromiss de facto aussehen könnte, war am Rande des UN-Hauptquartiers Gesprächsstoff in diplomatischen Zirkeln: Assad darf zur vorübergehenden Stabilisierung Rest-Syriens bleiben. Später wird ihm ein Platz im russischen Exil angeboten. Danach wird der Weg für eine neue Regierung unter Einbeziehung moderater Oppositioneller geebnet.

In der Zwischenzeit bekämpft eine von Washington und Moskau geführte und gemeinsam mit Anrainern wie Iran, Türkei und Saudi-Arabien ergänzte Allianz konsequent den „Islamischen Staat“. Weil er, so Putin, nicht nur im Mittleren Osten „gleichermaßen alle bedroht“.

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Ob die Idee Chancen hat? Russland-Experten in Washingtoner Denkfabriken erinnern daran, dass es nicht die erste Zweck-Allianz wäre. Vor zwei Jahren drohte Obama Assad wegen Giftgas-Einsätzen gegen die eigene Bevölkerung („rote Linie“) indirekt mit einer militärischen Strafaktion. „Putin nutzte den Moment, entspannte die Lage und stellte sicher, dass Russland die Chemie-Waffen des Diktators unter UN-Aufsicht entsorgt.“

„Putin will als Weltmacht gesehen werden“

Washington tut sich gleichwohl schwer damit, Putin vom Katzentisch der internationalen Diplomatie zu entlassen. Seit den Ereignissen auf der Krim und in der Ukraine hat die Regierung alles unternommen, um Moskau zu isolieren; auch wenn Obama am Montag betonte, an einem starken Russland interessiert zu sein.

Putins Drängen zurück ins Rampenlicht weckt in Washington Misstrauen. „Ganz gleich, ob Moskau Separatisten in der Ukraine unterstützt oder dem Assad-Regime die Stange hält“, sagte ein Russland-Forscher bei Brookings, „es geht Putin in nur darum, als Weltmacht wahrgenommen zu werden.“