Der Rechtsextremismus im Osten hat sich offenbar längst verfestigt. Aber auch NRW hat ein Neonazi-Problem. Bundesländer sollten nun gemeinsam handeln.
Immerhin einige Hundert Menschen demonstrierten jüngst nach den rechtsextremen Krawallen in Heidenau gegen Fremdenhass und Rassismus. Und in Jamel kamen sogar 1200 Leute zusammen, als die Toten Hosen aus Düsseldorf gegen Rechtsextremismus aufspielten. In dem Dorf bei Wismar lebt das Künstlerpaar Birgit und Horst Lohmeyer, die sich seit Jahren rechter Anfeindungen erwehren müssen.
Doch diese Solidaritäts-Veranstaltungen scheinen oft nur politische Feigenblätter zu sein, die den grassierenden Rechtsextremismus im Osten kaum verhüllen können. Heidenau, Freital, Tröglitz, Meißen, Nauen – die Angriffe auf Flüchtlinge stehen für den Verdacht, dass die ostdeutschen Länder ein besonderes Problem mit Fremdenhass haben. Das mögen die Ost-Länderchefs nicht auf sich sitzen lassen und wehren sich gegen eine Stigmatisierung.
Ost-Ministerpräsidenten zeigen gen Westen
Roger Lewentz, SPD-Innenminister in Rheinland-Pfalz, trat die Debatte los. Im Osten gebe es „eine größere Bereitschaft zu einer fremdenfeindlichen Radikalisierung“ als im Westen, sagte er. Prompt warnen die Ost-Ministerpräsidenten davor, ihre Länder an den rechten Pranger zu stellen. Man solle sich davor hüten, „vorschnell von einem ostdeutschen Phänomen zu sprechen“, sagte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) und zeigt zugleich gen Westen: Es handle sich um eine bundesdeutsche Entwicklung.
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Ähnlich äußerte sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der von einem „gesamtdeutschen Problem“ sprach. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) pflichtet ihm zwar bei, erkennt aber Unterschiede in der Ausprägung. Fremdenfeindlichkeit äußere sich überall in Deutschland, aber die Intensität sei schon sehr unterschiedlich verteilt, sagte er dem WDR. Dass es auch in Dortmund eine aggressive rechtsextreme Szene gibt, verschwieg er nicht.
Ostdeutsche Besonderheit
Die Zahlen geben Jäger auf den ersten Blick recht: Obwohl in Ostdeutschland nur knapp 20 Prozent der Bevölkerung leben, wurden dort im ersten Halbjahr 2015 mehr als 40 Prozent aller Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte registriert.
Alexander Häusler, Rechtsextremismusforscher an der FH Düsseldorf, verweist auf eine ostdeutsche Besonderheit. Es gebe dort „ein Zusammenspiel zwischen rechtsextremen Kadern und einem Anhang aus der Bevölkerung, der gegen die Flüchtlinge demonstriert, sich selbst aber nicht als rechtsextrem empfindet.“ In Sachsen sei dies besonders ausgeprägt, und die Landesregierung verharmlose die Probleme. Die Zivilgesellschaft im Osten sei insgesamt weniger gegen Rechts engagiert als im Westen, meint auch die Dortmunder Rechtsextremismus-Expertin Claudia Luzar.
Leidiges Schwarze-Peter-Spiel
Für Andreas Zick ist die neu aufgeflackerte „Ihr-aber-auch“-Debatte überflüssig und kontraproduktiv. „Dieser ostdeutsche Abwehrreflex, das Stigma loszuwerden, ist ja ein Teil des Problems“, sagt der Bielefelder Konflikt- und Gewaltforscher. „Der Rechtsextremismus hat sich im Osten über Jahre hinweg eingenistet. Das war auch möglich, weil darüber nie eine öffentliche Debatte geführt wurde. Davon profitiert die rechtsextreme Szene.“
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Die gegenseitigen Schuldzuweisungen führten aber zu nichts, so Zick. „Das ist der unnötigste Konflikt in dieser Situation.“ Auch in NRW gebe eine hohe Gefahrenlage, „Die Rechte“ in Dortmund sei ein Problem für das ganze Land. Die Bundesländer sollten jetzt zusammen tätig werden, Daten austauschen, Gefahrenlagen analysieren, Präventionskonzepte erstellen. Dabei müssen auch Projekte der Zivilgesellschaft, die Bildung und die Forschung gestärkt werden. „Das ist nicht allein Aufgabe der Sicherheitsbehörden.“ Nur gemeinsam könne man gegen den Rechtsextremismus in Deutschland erfolgreich sein.