Düsseldorf./Essen . Der Landtag NRW bereitet eine Aufwertung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) vor. Die Rheinländer sehen dies eher gelassen, die Westfalen haben Angst davor.
Das Ruhrgebiet will künftig mitentscheiden dürfen, wenn es um das Schicksal der Region geht. Dazu soll der Regionalvervand Ruhr (RVR) in Essen deutlich aufgewertet werden und neue Rechte bekommen. Am Dienstag stritten Experten im Landtag über das neue RVR-Gesetz. Hier die wichtigsten Fakten zum Thema.
Was strebt der RVR überhaupt an?
Der RVR soll eine Art „Klammer“ für das Revier sein, ein Interessenvertreter für die Bürger zwischen Wesel und Hagen, Duisburg und Unna. Wermutstropfen: Im Kreis Wesel gibt es Forderungen nach einem Austritt aus dem Verband.
Und das ist geplant:
Die Revierbürger sollen ab 2020 Kandidaten für das Ruhrparlament (RVR-Vollversammlung) direkt wählen dürfen. Bisher ist die Besetzung des Parlamentes ein „Nebenprodukt“ der Kommunalwahlen. Die Räte entscheiden darüber.
Wichtig ist, dass der RVR das Recht bekommen soll, im Auftrag der Städte kommunale Aufgaben zu übernehmen. Völlig offen ist bisher aber, welche Aufgaben dies denn sein könnten. Bei regional bedeutsamen Projekten wie der Bewerbung um die europäische Klimahauptstadt könnte der RVR rechtlich wie eine Stadt auftreten. Denkbar wäre auch das Einwerben von Fördergeld, zum Beispiel für neue Radwege im Revier.
Schließlich soll sich durch den RVR die Zusammenarbeit zwischen den Städten verbessern – ein Mittel gegen das verbreitete „Kirchturmdenken“ im Revier. Der Verband soll sich um wichtige regionale Themen wie Verkehr, Klimaschutz kümmern und Lobbyarbeit in Brüssel leisten dürfen.
Die Interessen anderer Behörden und Verbände in NRW werden nicht berührt, heißt es.
Welche politischen Köpfe treiben das Projekt voran?
Ein Herzensanliegen ist es für Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), CDU-Ruhr-Chef Oliver Wittke, Frank Baranowski (Ruhr-SPD) und RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel. Zu den Protagonisten zählen auch Martin Tönnes (RVR-Planer), Thomas Eiskirch (SPD), Roland Mitschke (CDU), Bernd Tischler (OB Bottrop) und Wolfgang Freye (Linke).
Was sagen die Kritiker?
Das RVR-Gesetz stößt bei den übrigen Kammern, Verbänden und Behörden des Landes auf eine eher ablehnende Haltung. Städtetag und Landschaftsverband Rheinland halten zwar das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Revierstädten zu verbessern, für sinnvoll. Aber auch sie stoßen sich an der Direktwahl des Ruhrparlamentes. Eine solche demokratische Sonderstellung eines Verbandes wecke Begehrlichkeiten und Konkurrenzen in NRW. Zudem dürfte das Interesse der Revierbürger, auch noch ein fünftes Parlament zu wählen, sehr gering sein.
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Aus Westfalen kommt deutlich entschiedener Widerstand: „Hilft es dem Ruhrgebiet, wenn notleidende Städte unter sich bleiben?“, fragt etwa der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Matthias Löb. Die Sorge vor Abkapselung und Sonderrechten des Reviers bringen die Westfalen auf den Plan. Die riesigen Landschaftsverbände in Rheinland und Westfalen (32 000 Beschäftigte, Haushaltsvolumen von 6,5 Milliarden Euro) scheinen nicht damit klar zu kommen, dass für den kleinen RVR (60 Millionen Haushaltsvolumen, 300 Beschäftigte) bald neue Regeln gelten sollen. Auch die Regionalräte der westfälischen Bezirksregierungen sind auf dem Baum.
Verfassungsrechtliche Bedenken führt der Kommunalrechtler Janbernd Oebbecke (Universität Münster) an: Wenn die direkt gewählte RVR-Versammlung dem Verband neue Gemeinschaftsaufgaben im Revier überträgt, könnte die kommunale Planungshoheit berührt sein.
Wie geht es weiter?
Trotz der Kritik soll das RVR-Gesetz im Frühjahr 2015 im Landtag beschlossen werden. Die rot-grüne Mehrheit steht, obwohl zahlreiche SPD-Politiker in Westfalen und Rheinland gegen „Sonderrechte im Vergleich mit anderen Regionen“ sind. Die CDU-Fraktion stützt das RVR-Gesetz wohl ebenfalls, will aber auch anderen Regionen in NRW die Möglichkeit zu besserer Kooperation einräumen.