Berlin. Die Regierung rechnet nun mit 750.000 Flüchtlingen - 300.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 1992. Die UNO will Deutschland entlasten.
In Deutschland wird ein neues Allzeithoch bei den Asylbewerberzahlen erwartet. Bis zu 750 000 Flüchtlinge könnten im Laufe des Jahres 2015 den Weg nach Deutschland finden, berichtete das "Handelsblatt" am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise. Bislang hatte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit rund 450.000 Asylanträgen gerechnet.
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Deutschlands Behörden hatten 1992 mit etwa 440.000 Asylanträgen den bisherigen Rekordstand gezählt. Die Zahlen gingen dann - auch wegen verschärfter Asylgesetze - stark zurück bis auf Werte von etwa 30.000 Asylanträgen in den Jahren 2006 bis 2009.
Seitdem stiegen die Zahlen angesichts vieler internationaler Krisen aber wieder kräftig - zuletzt in rasanten Sprüngen. 2013 gab es in Deutschland rund 127.000 Asylanträge, 2014 dann gut 200.000 und 2015 nun womöglich mehr als drei Mal so viel.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, will Deutschland bei der Verteilung von Flüchtlingen entlasten. "Wir müssen die Verantwortung auf mehr Schultern in Europa verteilen. Es ist langfristig nicht tragbar, dass nur zwei EU-Länder - Deutschland und Schweden - mit leistungsfähigen Asylstrukturen die Mehrheit der Flüchtlinge aufnehmen", sagte Guterres sagte der "Welt".
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Nach Angaben des UN-Kommissars haben seit Jahresbeginn rund 240.000 Migranten und Asylsuchende Europas Küsten erreicht. "Die meisten Menschen, die über das Mittelmeer in Booten kommen, flüchten vor Konflikten und Verfolgung. Alle Staaten in Europa haben die moralische Pflicht, sie willkommen zu heißen, und sie haben die eindeutige gesetzliche Verpflichtung, sie zu schützen", sagte Guterres.
Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht
Flüchtlinge in Deutschland"Im vergangenen Jahr flohen mehr Menschen als jemals zuvor seit Beginn unserer Aufzeichnungen", betonte der UN-Kommissar. Mehr als 60 Millionen weltweit hätten infolge von Konflikten und Verfolgung ihre Heimat verloren. "Wir können Menschen, die flüchten, um ihr Leben zu retten, nicht abschrecken. Sie werden kommen, und wahrscheinlich werden es noch mehr werden."
Wichtig sei, die Ankunft der Flüchtlinge human zu gestalten, betonte der frühere portugiesische Ministerpräsident. "Ich bin beunruhigt, wenn Flüchtlinge als Eindringlinge, Jobsuchende und Terroristen dargestellt werden, um mit öffentlichen Ängsten zu spielen. Dies ist ein Kampf um Werte." (dpa)