Düsseldorf. Heimplätze, Lehrer, Betreuung Minderjähriger – die Asyl-Ausgaben steigen rasant. In NRW zeichnet sich binnen drei Jahren eine Verfünffachung ab.

Das nordrhein-westfälische Innenministerium rechnet für das kommende Jahr mit fast fünfmal so hohen Ausgaben für Asylbewerber wie noch 2014. Lagen die Ausgaben in seinem Zuständigkeitsbereich damals noch bei 210 Millionen Euro, werden für 2016 rund 907 Millionen veranschlagt.

Asylausgaben knacken wohl erstmals die Milliarden-Grenze

In diesem Jahr sieht der aktuelle Nachtragshaushalt rund 587 Millionen Euro vor, wie das Ministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf mitteilte. Quer durch alle Ressorts werden die Landesausgaben für Asyl im nächsten Jahr die Milliardengrenze knacken und auf voraussichtlich rund 1,2 Milliarden Euro anwachsen - etwa 345 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr.

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Darin sind Personalausgaben in den Heimen und Verwaltungsbehörden nicht einmal enthalten, denn sie werden bislang nicht gesondert für den Bereich Asyl ausgewiesen. In diesem Jahr sind allein im Geschäftsbereich des Innenministers 97 neue Stellen für die Aufgabe Asyl vorgesehen. Der Haushaltsentwurf für 2016, der nach der Sommerpause im Landtag eingebracht wird, sieht weitere 20 Stellen vor. Die Kosten für eine Stelle sind im Durchschnitt mindestens mit 50.000 Euro pro Jahr anzusetzen.

Insgesamt schafft die rot-grüne Landesregierung mit dem im vergangenen Monat verabschiedeten Nachtragshaushalt 807 neue Stellen für die Betreuung, Versorgung und vor allem Unterrichtung von Flüchtlingen. Dafür sind für dieses Jahr 314 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt worden.

Land trägt auch die Kosten für unbegleitete Minderjährige

Das Land trägt auch die Kosten für unbegleitete Minderjährige - nach Angaben des NRW-Familienministeriums 87 Millionen Euro im laufenden Jahr und 155 Millionen Euro im nächsten.

Für die Mega-Aufgabe müsse die Landesregierung aber weder zusätzliche Kredite aufnehmen noch sei die Schuldenbremse gefährdet, bekräftigte das NRW-Finanzministerium. NRW will 2019 keine neuen Schulden mehr aufnehmen und rechnet bis dahin sogar erstmals seit vielen Jahren wieder mit einem kleinen Haushaltsüberschuss. (dpa)

Länder rufen nach Flüchtlingshilfe - Bundeswehr prüft Unterstützung 

Die mit der Unterbringung von Asylbewerbern zunehmend überforderten Länder und Kommunen können auf Hilfe der Bundeswehr hoffen. "Die Bundeswehr prüft gerade, in welcher Form sie logistische Unterstützung leisten kann", sagte am Sonntag ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Bisher habe man deutschlandweit acht Kasernen mit einer Kapazität für 3500 Menschen bereitgestellt. Sachsen-Anhalts Landesregierung hatte zuvor Zelte, Sanitäter und Versorgungszüge der Bundeswehr als mögliche Form der Unterstützung ins Gespräch gebracht.

Kapazitäten in den Bundesländern sind zunehmend erschöpft

Die Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen in den Ländern sind zunehmend erschöpft. In Städten wie Dresden und Hamburg, aber auch in kleineren Kommunen werden bereits provisorische Zeltstädte aufgebaut, um überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen zu entlasten.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet mit einer dauerhaft hohen Zahl von Asylbewerbern. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Flüchtlingszahlen aus den Kriegsgebieten dieser Welt in den nächsten Jahren hoch bleiben werden", sagte der Präsident der Behörde, Manfred Schmidt, der "Südwest Presse" (Samstag).

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"Es gibt derzeit eine internationale Krise, die zu völkerwanderungsähnlichen Zuständen führt", sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) beim Besuch eines Notquartiers in Halberstadt. Zelte oder Duschen für Asylbewerber seien schon jetzt kaum noch erhältlich - und bei weiter steigenden Flüchtlingszahlen werde sich das Problem verschärfen. "Daher halte ich die bisherige Beschränkung von Bundeswehreinsätzen auf das Ausland und einen Katastrophenfall für diskussionswürdig."

Wegen des starken Flüchtlingsandrangs reichen die 1000 Plätze der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt nicht mehr aus, andernorts sieht es ähnlich aus. Übers Wochenende waren Helfer rund um die Uhr im Dauereinsatz tätig, um Zelte für 600 weitere Plätze aufzustellen.

"Ausmaß erreicht worden, das dieses System sprengt"

Auch die Landesregierung von Brandenburgs Landesregierung, wo jede Woche etwa 500 Flüchtlinge ankommen, klagt über Überlastung. "Es ist ein Ausmaß erreicht worden, das dieses System sprengt", sagte Innenstaatssekretär Matthias Kahl in Eisenhüttenstadt, wo am Samstag ein zweites Notquartier mit etwa 70 Zelten errichtet wurde.

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In Baden-Württemberg wissen die Kommunen die Ankommenden ebenfalls kaum noch unterzubringen. Ein Flüchtlingsgipfel der Landesregierung soll an diesem Montag Lösungen finden. Das Wirtschaftsministerium will den Kommunen ein mit 30 Millionen Euro ausgestattetes Wohnraumprogramm vorschlagen. Allein in diesem Jahr rechnet das Land mit mehr als 52.000 Flüchtlingen - gut doppelt so viele wie 2014.

In der Dresdner Zeltstadt für Flüchtlinge blieb die Lage übers Wochenende ruhig. Am Samstagabend trafen dort rund 100 weitere Asylsuchende ein, zu Ausschreitungen wie am Vortag kam es aber nicht. Am Freitag hatten Rechtsextreme vor der Ankunft von knapp 500 Flüchtlingen linke Gegendemonstranten attackiert und drei verletzt.

Vielerorts liegen die Nerven inzwischen blank

Vielerorts liegen die Nerven inzwischen blank. In Thüringen klagt die Polizei über eine Zunahme fremdenfeindlicher Übergriffe. So wurden vier syrische Asylbewerber am Freitagabend in Greiz von drei jungen Männern unvermittelt mit Schlägen und Tritten traktiert. (dpa)