Ankara. . Nach jahrelangem Zögern geht die Regierung in Ankara jetzt entschlossen gegen die Terrormiliz IS vor. Reaktion auf den Anschlag in der Stadt Suruc.

Nach jahrelangem Zögern geht die Türkei jetzt entschlossen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vor – im syrischen Grenzgebiet, aber auch im eigenen Land. Drei F-16-Kampfflugeuge starteten am Freitagfrüh um kurz nach drei Uhr vom Militärflughafen Diyarbakir und nahmen Kurs auf die syrische Grenze. Dort feuerten die Kampfpiloten eine halbe Stunde später mehrere Raketen auf Stellungen des IS und einen Versammlungsplatz der Terrormiliz in Syrien ab, bevor sie nach Diyarbakir zurückkehrten.

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Die Jets hätten die Grenze zu Syrien nicht überflogen sondern die Lenkwaffen aus dem türkischen Luftraum abgefeuert, hieß es offiziell. Wie die Nachrichtenagentur Dogan meldete, seien bei dem Angriff mindestens 35 IS-Kämpfer getötet worden.

Amerikaner dürfen nun auch den Nato-Stützpunkt Incirlik nutzen

Die Entscheidung zu den Luftangriffen fiel am späten Donnerstagabend bei einer Krisenkonferenz in Ankara. Vorausgegangen war am gleichen Tag ein Feuerüberfall des IS auf einen türkischen Militärposten an der Grenze zu Syrien. Dabei wurde ein Offizier getötet. Es war der zweite schwere Zwischenfall, nachdem ein mutmaßlicher IS-Selbstmordattentäter am Montag in der Grenzstadt Suruc bei einem Anschlag auf eine Versammlung junger Kurden 31 Menschen mit sich in den Tod gerissen hatte. „Wer uns Schaden zufügt, muss den zehnfachen Preis zahlen“, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. „Die türkische Republik ist entschlossen, alle nötigen Maßnahmen zur nationalen Sicherheit zu ergreifen“, hieß es in einer Mitteilung der Regierung.

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Dieser erste direkte Militäreinsatz der Türkei gegen den IS in Syrien markiert eine Wende in der Politik Ankaras gegenüber der Terrormiliz. Die Türkei hatte den IS zwar bereits 2013 als Terrororganisation eingestuft und ist Mitglied der Koalition gegen den IS, hielt sich aber bisher militärisch zurück und bremste die Koalition sogar. So durften die USA bisher den Nato-Stützpunkt Incirlik nicht für Angriffe auf den IS nutzen. Hintergrund ist ein Dissens über die Syrienpolitik: Während die USA dem Kampf gegen den IS Priorität einräumen, arbeitet die Türkei am Sturz des Assad-Regimes in Damaskus – gegen das auch der IS kämpft.

Erdogan und Obama besprechen Kampf gegen IS

Der Kurswechsel Ankaras deutete sich bereits an, nachdem US-Präsident Barack Obama und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch telefonisch besprachen, wie der Kampf gegen den IS besser koordiniert werden könnte. Seit Donnerstag darf die US Air Force nicht nur Incirlik nutzen. Die Koalition kann auch von den türkischen Militärflughäfen Batman, Diyarbakir und Malatya zu Angriffen auf die Dschihadisten starten. Das ermöglicht unter anderem den Einsatz von Kampfhubschraubern.

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Parallel zu den Luftangriffen im Grenzgebiet startete die türkische Polizei in der Nacht zum Freitag Razzien in Istanbul und zwölf weiteren Provinzen. Die landesweite Polizeiaktion, an der rund 5000 Fahnder beteiligt waren, richtete sich gegen mutmaßliche Kämpfer und Sympathisanten des IS, der in der Türkei in den vergangenen Jahren ein dichtes Netz aufgebaut haben soll. Aber auch andere als terroristisch eingestufte Organisationen wie die extremistische DHKP-C und die kurdische PKK waren Ziel der Razzien. Nach offiziellen Angaben wurden 250 Verdächtige festgenommen.

Die Türkei plant jetzt auch umfangreiche Maßnahmen zur Sicherung der bisher sehr durchlässigen, über 900 Kilometer langen Grenze zu Syrien. Auf einer Strecke von 450 Kilometern soll die Grenze mit einem doppelten Zaun, Wachtürmen, Bewegungsmeldern und Kameras gesichert werden. Die Kosten werden auf umgerechnet 1,4 Milliarden Euro beziffert.