Hilden. Steinbrück und Steinmeier in Hilden: Gemeinsam machten die "Stones" dort Wahlkampf. Mit konkreten Konzepten hielt sich der Kanzlerkandidat zurück, da punktete Steinbrück deutlich mehr. Einig waren sich die SPD-Politiker aber in einem: Die FDP darf auf keinen Fall in die Regierung.

Für Hilden war es „erstmalig und einmalig“. Dass gleich zwei politische Schwergewichte in der Stadthalle gemeinsam Wahlkampf machen, kam in der Stadt im Kreis Mettmann noch nie vor. Am Dienstagnachmittag jedoch war es soweit: Finanzminister Peer Steinbrück und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zogen um kurz nach halb vier in den Saal ein.

Steinmeier lächelt freundlich, winkt ins Publikum. Steinbrück hinter ihm, nickt nur kurz. Erst auf der Bühne legt er los: „Hier steht gerade etwas, wofür Sie eigentlich hätten Eintritt bezahlen müssen. Schließlich sind wir die Stones.“ Applaus zwar, aber auch müdes Gelächter.

„Na, der Witz ist ja alt“, sagen besonders junge Menschen hinter vorgehaltener Hand. Doch auch Steinmeier findet den Witz gut und rollt ihn wie mit einer Teigrolle in seinem Redepart noch einmal richtig aus. Ob er die Beatles oder die Stones früher lieber gemocht hätte, sei er oft gefragt worden. „Die Stones“, sagt er. Und sein liebstes Lied: „Alles außer Angie“, sagt Steinmeier und lacht.

Wähler entscheidet, nicht die Meinungsforscher

Gut gelaunt präsentiert sich der Außenminister, der die schlimmen Umfragen für die SPD einfach beiseite wischt. Nicht die Meinungsforscher seien am 27. September die treibende Kraft, sondern die Wähler. Fünf Wochen bleiben Steinmeier noch, um diese davon zu überzeugen, dass die SPD die richtigeren, aber eben auch die realistischeren Konzepte hat.

„Sind wir bereit, uns auf Dauer mit der Massenarbeitslosigkeit abzufinden?“, fragt Steinmeier – und bleibt bei den Konzepten sehr zurückhaltend. Er setzt lieber auf den Gegensatz „Ihr da oben – wir hier unten“. Steinmeier betont wie selbstverständlich, dass er – “wie wir fast alle“ - aus kleinen Verhältnissen stamme. Und dass in dieser Republik etwas gerade gerückt werden müsse. Es könne nicht sein, dass eine Kassiererin für einen unterschlagenen Pfandbon fristlos gekündigt werde, Manager aber ohne weitere Konsequenzen „Millionen versenken“.

Steinmeier will sich einsetzen für ein durchlässiges Bildungssystem, dafür, dass jeder Jugendliche einen Schulabschluss machen kann. Immer wieder zieht er Parallelen zu seinem eigenen Leben, erzählt, dass selbst er als Arbeiterkind studieren konnte. „Alle sozialen Hürden vom Kindergarten bis zum Studienende müssen weg“, sagt Steinmeier.

„Jetzt fängt er an zu schwadronieren“, sagt ein Zuschauer, steht auf und verlässt den Saal. Möglicherweise haben ihm die Ausführungen von Finanzminister Peer Steinbrück, der in Mettmann seinen Wahlkreis hat, gereicht. Denn der hat im Gegensatz zu Steinmeier die Ziele der SPD auf den Punkt gebracht. Und hat ziemlich verständlich und eindeutig dargelegt, inwieweit sich die SPD – aus seiner Sicht - von den anderen Parteien unterscheidet.

Steinbrück: Keine Steuersenkung

„Wir wollen die Ideologie, die in die Wirtschafts- und Finanzkrise geführt hat, nicht fortsetzen. Wir wollen neue Spielregeln aufsetzen, auch im Hinblick auf Steuerhinterziehung und Steuerbetrug“, sagt Steinbrück. Manager-Boni sollen nicht weiterhin steuerlich abgesetzt werden können. Und die SPD laufe auch nicht wie andere dem Anspruch hinterher: „Der Markt wird es schon richten.“

Außerdem erteilt Steinbrück allen Steuersenkungs-Absichten eine klare Absage. Er könne verstehen, dass der Bauch nach Steuererleichterungen giere. Rechtzeitig vor der Wahlkabine allerdings müsse der Verstand aufwachen und dem Bauch sagen, dass auch angesichts bisheriger Konjunkturprogramme der Topf leer sei. „Wenn die Steuern gesenkt werden, müssen wir an anderer Stelle sparen“, sagt Steinbrück. „Zum Beispiel im Sozialhaushalt, bei den Zuschüssen für die Rente oder in der Arbeitsmarktpolitik.“

Schreckgespenst FDP

Am Ende steht jedoch immer wieder die FDP. Bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung. Das geht nicht zusammen? Doch, die Oppositionspartei dient den Sozialdemokraten aktuell als Schreckgespenst. Peer Steinbrück verweist auf eine Partei, die „seit zehn Jahren fordert, dass sich der Staat aus dem Markt heraushält.“ Und Steinmeier fragt eindringlich: „Können Sie sich Guido Westerwelle als Gesundheitsminister vorstellen? Wenn Sie das verhindern wollen, müssen Sie eben an einer anderen Stelle Ihr Kreuzchen machen.“ Der Applaus ist laut und lang.

Denn auch bei den Besuchern der Hildener Wahlkampf-Veranstaltung scheint die Angst vor der FDP größer zu sein als das Vertrauen in die SPD. Wen sie als Kanzler wollen, können zwei ältere Herren noch nicht sagen. Aber bei einem sind sie sich sicher: „Wir müssen auf jeden Fall die schwarz-gelbe Mehrheit verhindern. Eine neoliberale Politik in Deutschland ist der falsche Weg.“ Auch die Wählerinitiative „Wir-für-Frank“ schätzt Frank-Walter Steinmeier als „kompetent und souverän“ ein. Warum? „Der würde sich nach der Wahl nicht von der FDP einlullen lassen“, sagt Botschafterin Julia Klewin (25).

Auf eines jedenfalls scheinen all die zu hoffen, die der SPD ihr Kreuzchen so gut wie versprochen haben. Dass es nämlich in den nächsten fünf Wochen noch den großen Knall gibt, zu Gunsten der SPD. Ulla Schmidt war ein Knaller, leider aber eher zum Nachteil. Die Ackermannsche Geburtstagsparty im Kanzleramt können und wollen viele in ihrer Tragweite noch nicht einschätzen. Und so wird bei Bert Herbertz und Günter Wilhelm Edmund Stoiber zur großen Hoffnung. „Es gab schon einmal einen, der sicher war, die Wahl gewonnen zu haben“, sagt Herbertz. Es sei dann anders gekommen. „Auch Angela Merkel macht keinen Wahlkampf, die sitzt den einfach aus. Aber Hochmut kommt vor dem Fall“, hat Herbertz die Hoffnung auf einen irgendwie gearteten Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl noch nicht aufgegeben.