Düsseldorf. . Spezialisierung heißt das Zauberwort der 2016 in Kraft tretenden Reform. Kliniken, die unter 200 Betten haben, sind in ihrer Existenz bedroht.
Zu viele Klinikbetten, rote Zahlen der Krankenhausbetreiber, oft auch unnötige Operationen – mit der geplanten Krankenhausreform wollen Bund und Länder teure Überkapazitäten abbauen und Kliniken zu Kooperationen und Spezialisierung drängen. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) rechnet damit, dass in den 380 NRW-Kliniken rund 10.000 der 124.000 Betten wegfallen werden. „Der geringere Bedarf ergibt sich, weil mehr Behandlungen ambulant durchgeführt werden und die Behandlungsdauer sich erheblich verkürzt“, sagte Steffens dieser Redaktion.
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Aktuell sind nur 76 Prozent der Betten in NRW belegt. Ein Grund: Landesweit kommen auf 100.000 Einwohner 683 Klinikbetten, bundesweit nur 615. „Zu oft haben wir in Ballungsgebieten noch ein Nebeneinander gleichartiger Therapien und Fachgebiete anstelle einer Konzentration auf die jeweiligen Stärken“, weiß Steffens. Das Zauberwort der Reform heißt: „Spezialisierung“. Überkapazitäten sieht Steffens vor allem in der Chirurgie und der Geburtshilfe. Von 33.000 Betten in der Chirurgie in NRW sollen laut Krankenhausplan 5200 wegfallen, von 9300 in der Frauenheilkunde rund 3000.
Jedes dritte NRW-Krankenhaus von Schließung bedroht
Der Riss geht tief durch die Krankenhauslandschaft. Während der Verband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) glaubt, dass bundesweit jedes fünfte Klinikbett in den 2000 Kliniken aus Kostengründen und mangels Bedarf reduziert werden muss, plant die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) nach den Sommerferien eine Protest- und Info-Kampagne gegen das „Krankenhaus-Schließungsgesetz“. KGNW-Präsident Jochen Brink mahnt, dass die Kliniken „die zentrale Säule der Notfallversorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit“ seien. Für ambulante Notfallleistungen erhielten sie aber pro Fall im Schnitt nur 32 Euro bei 120 Euro Kosten. Allein dies führe zu einer Unterdeckung von 250 Millionen Euro. 42 Prozent der deutschen Kliniken schreiben rote Zahlen.
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Aus Sicht des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), sind vor allem kleine Kliniken mit weniger als 200 Betten von Schließung bedroht - in NRW ist das rund jedes dritte Krankenhaus. Einen Kahlschlag in der ländlichen Region schließt Steffens aus. Die Landesregierung hat zur Sicherung der Grundversorgung festgelegt, dass kein Patient in NRW mehr als 20 Kilometer zur nächsten Klinik fahren soll. Notfalls müssten dann unrentable Häuser auf dem Land weiter subventioniert werden.
Gute Qualität soll höher vergütet werden
Mit der vom Bundeskabinett im Juni beschlossenen Krankenhausreform will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Qualität in Kliniken verbessern. Bei Mängeln müssen Krankenhäuser mit Abschlägen rechnen, gute Qualität soll höher vergütet werden. Das kann dazu führen, dass Kliniken oder Abteilungen wegen mangelnder Rentabilität schließen müssen. Gegen die Pläne, die Anfang 2016 in Kraft treten sollen, laufen Klinikbetreiber Sturm.
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Steffens setzt darauf, dass sich kleine Krankenhäuser einer Region über moderne Telekommunikationsmittel vernetzen und im Verbund Diagnosen und Therapien gemeinsam entscheiden, welches Haus im Verbund das am besten leisten kann. Künftig müsse nicht jedes Krankenhaus alles anbieten. „Das kann bei geringen Fallzahlen nie kostendeckend sein und geht zu Lasten der Qualität“, sagte Steffens.
Mehr Pfleger und Schwestern
Weil das Pflegepersonal „völlig überfordert“ sei, erwartet Steffens im Rahmen der Krankenhausreform ab 2016 mehr Stellen für Krankenschwestern und Pfleger. Bis 2018 stellt der Bund 660 Millionen Euro für mehr Pflegekräfte zur Verfügung. Ab 2019 sollen es 330 Millionen Euro pro Jahr sein. Dadurch sollen mehr als 6000 neue Stellen im Jahr entstehen. Nicht genug, klagt die Krankenhausgesellschaft. Bei 2000 Kliniken wären das drei Stellen pro Klinik.