Berlin. Berlin will die Qualitätsprobleme in deutschen Kliniken lösen. Ärzte und Krankenhausträger wehren sich gegen die Reform: Sie fürchten Belastungen.

Ärztemangel und Pflegenotstand, unnötige Operationen und verunsicherte Patienten: Die Liste der Probleme im deutschen Gesundheitswesen ist lang. Mit zwei Gesetzespaketen will jetzt die Bundesregierung die Versorgung flächendeckend verbessern. Am Mittwoch hat das Kabinett den Weg frei gemacht für die Krankenhausreform - die Qualität der rund 2000 Kliniken in Deutschland soll besser werden.

Am Donnerstag will der Bundestag über ein weiteres Maßnahmenbündel entscheiden - es geht um Wartezeiten beim Facharzt oder die bessere Verteilung von Ärzten in Städten und auf dem Land. Kritik kommt vor allem aus der Ärzteschaft und von den Krankenhausträgern.

Schlechte Kliniken sollen weniger Geld bekommen

Wer schlecht arbeitet, bekommt weniger Geld: Krankenhäuser müssen nach dem Willen von Bund und Ländern künftig mit Abschlägen rechnen, wenn die Behandlungsqualität nicht stimmt. In einzelnen Fällen kann das zur Schließung einer Abteilung führen, zur Umwidmung der Klinik in ein Hospiz oder Pflegeheim - oder sogar zur Schließung der gesamten Einrichtung.

Das Ziel: Am Markt soll sich nur halten, wer das, was er macht, gut macht. Unnötige Operationen, um das Budget zu verbessern und den Bettenleerstand zu bekämpfen? Damit soll Schluss sein: „Patienten müssen sich auf eine gute Versorgung im Krankenhaus verlassen können“, so Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Gesundheitsminister will 6000 neue Pflegestellen

Im Zuge der Krankenhausreform will Gröhe zudem gezielt neue Stellen für Pflegerinnen und Pfleger fördern: Von 2016 bis 2018 gibt es dazu insgesamt bis zu 660 Millionen Euro, ab 2019 stehen dauerhaft 330 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Gröhe rechnet damit, dass mit dem Förderprogramm rund 6350 neue Stellen geschaffen werden können. „Gute Versorgung und Pflege im Krankenhaus können nur dann gelingen, wenn Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger nicht dauerhaft überlastet sind.“

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Die Kosten für die Neuausrichtung der Kliniklandschaft und den Abbau von Überkapazitäten sollen künftig aus einem Strukturfonds gezahlt werden: 500 Millionen Euro kommen dazu aus dem Gesundheitsfonds, weitere 500 Millionen sollen die Länder bereit stellen. Denn: Krankenhausplanung ist Ländersache - und genau hier liegt ein Problem. Die Krankenhausbetreiber beklagen seit langem, dass die Länder zu wenig investieren. Den wachsenden Kostendruck bekommen die Patienten deutlich zu spüren: Seit Jahren bauen die Krankenhäuser Personal ab. Die Folge: Versorgungslücken, Hygieneprobleme, erschöpfte Teams.

Massive Kritik an der Reform kommt von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): Der milliardenschwere Investitionsstau werde nicht gelöst - und auch das Förderprogramm für mehr Pflegepersonal werde wenig nützen, da viele Krankenhäuser den Eigenanteil und die Folgekosten von Neueinstellungen nicht aufbringen könnten.

Kritik: Kliniken haben weniger Geld als vorher

Im Gegenteil: Durch Kürzungen an anderer Stelle hätten die Kliniken am Ende weniger Mittel als vorher. „Diese Krankenhausreform ist viel Etikettenschwindel: Wo Hilfe drauf steht, sind neue Belastungen drin“, sagte DKG-Präsident Thomas Reumann. Die Pläne der Koalition seien „absurd“, findet auch Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW: „So wird das Krankenhaus-Strukturgesetz zum Krankenhaus-Schließungsgesetz.“

Auch die Opposition ist unzufrieden: Bund und Länder hätten sich auf eine Reform geeinigt, die sie möglichst wenig koste, kritisiert Gesundheitsexperte Harald Weinberg (Linke). „Am Personalmangel in den Krankenhäusern und ihrer massiven Unterfinanzierung durch die Länder wird sich durch dieses Gesetz überhaupt nichts ändern.“ Rund 40 Prozent der Krankenhäuser schreiben derzeit rote Zahlen.

Jens Baas, Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), kalkuliert, dass den deutschen Krankenhäusern mittlerweile 30 bis 50 Milliarden Euro für notwendige Modernisierungen fehlen: „Das Kernproblem der Krankenhausversorgung in Deutschland bleibt also auch bei dieser Reform ungelöst.“ CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn verteidigte dagegen am Mittwoch die Reform: „Einfach nur mehr Geld wäre keine Lösung“, nötig seien strukturelle Veränderungen in der Kliniklandschaft. „Weniger unnötige Operationen, weniger leer stehende Betten und insgesamt mehr Qualität, das ist unser Ziel.“

Neue Regelungen für ärztliche Versorgung

Viel Ärger beschert der Koalition auch das zweite Gesetzespaket: Die Ärzteschaft wehrt sich vor allem gegen die Regeln zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung: „Insbesondere die Pläne für den Zwangsaufkauf von Vertragsarztsitzen, die Einrichtung von Terminservicestellen und die geplante Zweitmeinungsregelung greifen massiv in die Kompetenz der ärztlichen Selbstverwaltung ein“, hieß es jüngst beim Ärztetag.

Nach Plänen der Koalition sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen in Regionen mit hoher Arztdichte frei werdende Praxen aufkaufen und die Ansiedlung von Ärzten in unterversorgten Gegenden fördern. Zudem sollen sie Servicestellen einrichten, um Patienten innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt zu beschaffen.