Athen. Nach dem “Nein“ zum EU-Sparkurs beim Referendum in Griechenland tritt Finanzminister Gianis Varoufakis zurück. “Minister no more“, twitterte er.
Fünf Monate wirbelte er Europa durcheinander, nun tritt er ab: Gianis Varoufakis, Griechenlands Finanzminister, hat die Nase voll von der Politik. Er hat offenbar seine Schuldigkeit getan.
Wenige Stunden nach dem Nein der Griechen zu den Sparvorgaben der internationalen Geldgeber kündigte Varoufakis seinen Rücktritt an. "Minister No More", schrieb er am Morgen beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Kurze Zeit nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Volksabstimmung sei er aus Kreisen der Eurogruppe darauf hingewiesen worden, dass es eine "gewisse Präferenz" gebe, dass er bei den Beratungen der Eurogruppe nicht mehr zugegen sei, schrieb Varoufakis am Montag in seinem Blog. Der Rücktritt könne Ministerpräsident Alexis Tsipras möglicherweise helfen, eine Vereinbarung mit den Geldgebern zu erreichen. "Aus diesem Grund verlasse ich das Finanzministerium heute", erklärte Varoufakis.
Dass es tatsächlich so ist, darauf weisen die ersten Reaktionen nach Varoufakis' Rücktritt hin: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagt, der Schritt sei eine deutliche Erleichterung im Dialog mit Athen. Dennoch würden die Verhandlungen nicht leichter. Ein Erfolg weiterer Gespräche zwischen EU und Griechenland hänge nicht von einzelnen Personen ab, "sondern über was verhandelt wird", meinte Schulz. Es hätten 18 Angebote auf dem Tisch gelegen, die weitreichend gewesen seien. Griechenland habe dazu beim Referendum mit großer Mehrheit Nein gesagt.
"Die Regierung hat sich zu Hause den Rücken gestärkt, auf europäischer Ebene möglicherweise nicht", sagte Schulz. "Sie wird jetzt Vorschläge vorlegen müssen, die die anderen überzeugen."
Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hofft nach dem Rücktritt des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis auf einfachere Euro-Verhandlungen. Neue milliardenschwere Hilfspakete lösen Bosbach zufolge aber letztlich nicht die Probleme des Landes: "Es fehlt an Wirtschaftskraft, an Wettbewerbsfähigkeit, an einer wirklich effizienten Verwaltung."
Weitaus harscher reagierte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer auf den Rücktritt: "Diese linken Geisterfahrer haben Griechenland auf einen unverantwortlichen Crashkurs gelenkt. Varoufakis hat einen Großbrand in Europa ausgelöst und haut jetzt mit dem Zündholz in der Hand ab."
Geht Varoufakis als Sieger?
Im Doppel mit dem politischen Sonnyboy Alexis Tsipras hatte Varoufakis auf der Brüsseler Bühne den "Bad Cop" gegeben, in Bruce-Willis-Manier Gipfelrunden platzen lassen, sich lustvolle Verbal-Duelle mit seinem Lieblingsfeind Wolfgang Schäuble geliefert. Das Hemd lässig über der Hose, beschuldigte er die Europartner wahlweise des Terrorismus oder auch der gezielten Erniedrigung des griechischen Volkes. Damit ist nun Schluss.
Varoufakis geht also. Und er geht als Sieger - zumindest dürfte er selbst das so sehen. Mit den satten 61 Prozent für den Regierungskurs beim Referendum sieht Varoufakis sich in seiner kompromisslosen Haltung gegenüber den Kreditgebern bestärkt. Nun kann er sagen: "Seht her, es ging mir nicht um mein Ego, sondern um die gute Sache."
Tatsächlich aber hat Varoufakis mit seiner rüden "Hoppla-jetzt-komm-ich"-Art in Brüssel zu viel Porzellan zerschlagen. Die Athener Regierung, gestärkt durch das Referendum, will den Kreditgebern nun offenbar mit neuer Attitüde gegenübertreten: selbstbewusst, aber auch seriös. Dafür ist Gianis Varoufakis nicht der richtige Mann. Seine Mission ist erfüllt. Ein bisschen werden wir ihn vermissen. (mit dpa)
Griechen jubeln über Referendum
"Minister No More!" - Gianis Varoufakis' Erklärung im Wortlaut
In einem Blogeintrag hat der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis seinen Rücktritt erklärt. Der Text im Wortlaut (aus dem Englischen übersetzt):
"Kein Minister mehr! Die Volksabstimmung vom 5. Juli wird als einzigartiger Moment in die Geschichte eingehen, als eine kleine europäische Nation sich gegen die Schulden-Knechtschaft erhoben hat.
Wie alle Kämpfe für demokratische Rechte hängt auch an dieser historischen Ablehnung des Ultimatums der Eurogruppe vom 25. Juni ein großes Preisschild. Es ist daher wichtig, dass unsere Regierung das großartige Vertrauen, welches das Nein bedeutet, unverzüglich in ein Ja zu einer angemessenen Lösung ummünzt - zu einer Vereinbarung, die eine Restrukturierung der griechischen Schulden beinhaltet, weniger Einsparungen, Umverteilungen zugunsten der Bedürftigen und echte Reformen.
"Ich halte es für meine Pflicht, Alexis Tsipras zu helfen"
Bald nach der Bekanntgabe der Ergebnisse des Referendums bin ich auf eine gewisse Präferenz einiger Eurogruppen-Teilnehmer und verschiedener Partner für meine Abwesenheit von den Meetings hingewiesen worden. Eine Idee, die der Ministerpräsident als möglicherweise hilfreich auf dem Weg zu einer Einigung bewertete. Aus diesem Grund verlasse ich das Finanzministerium heute.
Ich halte es für meine Pflicht, Alexis Tsipras zu helfen, das Vertrauen, dass das griechische Volk uns durch das gestrige Referendum gewährt hat, auszuschöpfen. Ich werde die Abscheu der Kreditgeber mit Würde tragen.
Keine Rücksicht auf Amtsprivilegien
Wir von der Linken verstehen etwas davon, kollektiv zu handeln, ohne sich um Amtsprivilegien zu kümmern. Ich werde Ministerpräsident Tsipras, den neuen Finanzminister und unsere Regierung voll unterstützen.
Die übermenschliche Anstrengung, um den mutigen Menschen in Griechenland zu helfen, und das berühmte Ochi (Nein), das sie Demokraten in aller Welt beschert haben, steht erst am Anfang." (dpa)