Athen / Brüssel. . Nach dem Referendum fangen in Europa die Probleme erst richtig an. Mehr Geld wird's für Athen auf die Schnelle nicht geben, bleibt nur der Grexit?

Auch nach dem "Nein" der Griechen zum umstrittenen Sparpaket dürfte in Brüssel schon sehr bald wieder über die finanzielle Rettung des Landes verhandelt werden. Vor allem Frankreich will sicherstellen, dass die europäischen Partner nicht auf stur schalten. Und die EU-Kommission setzt sich dafür ein, die Türen offen zu halten. Die Voraussetzungen für ein neues Hilfsprogramm sind aber alles andere als einfach.

"Wenn die Griechen mit Nein stimmen, wird die griechische Verhandlungsposition dramatisch schwach sein", hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bereits vor der historischen Volksabstimmung gewarnt. Der EU-Veteran setzte sich wie wenige andere für eine fairen Spar- und Reformdeal mit Athen ein.

Rasche Lösungen wird es ganz sicher nicht geben

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Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten, denn Geldgeber und Athen müssen ganz von vorn anfangen. Der bisherige Rettungsplan war in der vergangenen Woche ausgelaufen, da sich die griechische Seite wegen des Referendums einseitig aus den Gesprächen zurückgezogen hatte.

Die europäischen Partner sind mit einer beispiellosen Lage konfrontiert. Die Banken in dem Krisenland sind seit einer Woche geschlossen, der freie Kapitalverkehr wird kontrolliert, die Wirtschaft leidet unter diesen Einschränkungen. Wann die Kreditinstitute wieder öffnen können, ist unklar. Es wird viel Zeit brauchen, um diesen Einbruch wieder wettzumachen, der auch den lebenswichtigen Tourismus trifft.

Athens Regierung hat etliches an Porzellan zertrümmert

Links-Premier Alexis Tsipras und Finanzminister Gianis Varoufakis zertrümmerten darüberhinaus in den vergangenen Monaten viel Porzellan in Europas Hauptstadt. Um mit den beiden Spitzenvertretern weiterverhandeln zu können, müsste zunächst eine neue Vertrauensbasis geschaffen werden, meint ein Beteiligter.

Mehr Klarheit über die Haltung der 18 übrigen Eurostaaten dürfte es spätestens am Dienstag (7. Juli) geben, wenn EU-Gipfelchef Donald Tusk im Straßburger Europaparlament über die Situation in Griechenland sprechen wird.

Es sei möglich, dass der liberalkonservative Pole in den kommenden Tagen einen weiteren Gipfel der 19 Eurostaaten einberufe, meinen Insider. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande wollen am Montag in Paris schon einmal erste Weichen zur einer Krisenlösung stellen.

Eigentlich wollen die "Chefs" nicht mehr mit Tsipras reden

Das vorläufig letzte Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone Ende Juni war auch nur eine Etappe im langen griechischen Schuldendrama gewesen. Keiner der "Chefs" - außer Tsipras - war dem Vernehmen nach dafür, überhaupt zusammenzukommen.

Mit Spannung wird darauf gewartet, welchen Kurs die Europäische Zentralbank nach der Volksabstimmung steuert. Dank Notkrediten zugunsten griechischer Geldhäuser können diese überhaupt noch überleben.

Am 20. Juli ist zudem eine große Rückzahlung von rund 3,5 Milliarden Euro an die Frankfurter Notenbank fällig. Athen sei nicht in der Lage, diesen Betrag zu zahlen, meinen Experten. Schon in der zurückliegenden Woche war Griechenland eine Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von knapp 1,6 Milliarden Euro in spektakulärer Weise schuldig geblieben.

Der Grexit wird mit jedem Tag wahrscheinlicher

Viele halten es inzwischen für fraglich, dass Griechenland angesichts der zugespitzten Krise überhaupt im Euroraum bleiben kann. Ein Austritt würde ungeregelt verlaufen, denn es gibt weder einen Musterfall noch vertragliche Vorschriften dafür. Im Kreis der Euro-Finanzminister wird gerne von unbekannten Gewässern gesprochen.

Ein "Grexit" würde nicht unbedingt bedeuten, dass Griechenland nach 34 Jahren Mitgliedschaft die Europäische Union verlassen würde. Brüssel wäre gezwungen, Athen weiter zu stützen. "Wir können ein Land nicht einfach fallenlassen", meint der EU-Diplomat mit Blick auf mögliche humanitäre Hilfe für arme Menschen. Dazu kommt die dramatische Flüchtlingskrise im Mittelmeer, die Griechenland und Italien nur mit Unterstützung der europäischen Partner bewältigen können.

Griechen jubeln über Referendum

"Ochi" - "Nein"! Das Referendum in Griechenland vom Sonntag (5. Juli 2015) hat ein klares Ergebnis gebracht: Mit deutlicher Mehrheit wurden die Sparvorschläge der Eurogruppe abgelehnt... © dpa
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind.
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind. © Getty Images
"Nein" jedenfalls war auch - und vielleicht vor allem - eine Antwort auf eine innenpolitische Frage: Die Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte mit der Antwort auf das Referendum auch ihre eigene Zukunft verbunden. © dpa
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung...
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung... © dpa
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,...
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,... © dpa
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen...
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen... © Getty Images
...zur Schau gestellt wurde...
...zur Schau gestellt wurde... © dpa
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt...
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt... © Getty Images
...auch Feuerwerk war zu sehen...
...auch Feuerwerk war zu sehen... © Getty Images
...und Menschen, die eben jubelten.  Weil das
...und Menschen, die eben jubelten. Weil das "Nein" die Position der griechischen Regierung gegenüber den Euroländern stärken würde, wie es Ministerpräsident Alexis Tsipras im Vorfeld erklärte... © dpa
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte...
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte... © imago/Kyodo News
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen.
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen. © dpa
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert:
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert: "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", sagte Varoufakis etwa noch kurz vor dem Referendum einer spanischen Tageszeitung. © dpa
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt...
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt... © Getty Images
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen.
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen. © dpa
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung...
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung... © dpa
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch...
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch... © imago/Xinhua
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil...
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil... © imago/ZUMA Press
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar:
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar: "Ochi" stand für "Nein", "Nai" - anders als man als Nicht-Grieche vielleicht meint, für "Ja"... © imago/ZUMA Press
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für "Ja" geworben - und verkündete als Reaktion auf das Referendum am Montag seinen Rücktritt als Parteichef... © dpa
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok.
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok. © dpa
...Das griechische
...Das griechische "Oxi" brachte wichtige Auslandsbörsen nur wenig in die Bredouille: Der Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 fiel zuletzt um 2,04 Prozent. In Japan (Foto) schloss der Nikkei-Index mehr als 2 Prozent tiefer. Auch der Kurs des Euro gab nach, grenzte die Abschläge nach dem Varoufakis-Rücktritt aber ein, schreibt dazu die Nachrichtenagentur dpa. © dpa
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Die nächsten Termine - die nächsten Rechnungen für Athen: 

6. Juli: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft am Montag in Paris den französischen Präsidenten François Hollande, um über die Konsequenzen aus dem griechischem Referendum zu beraten.

7. Juli: Frühestens am Dienstag könnten Griechenlands Banken und die Börse in Athen wieder öffnen.

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10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von 2 Milliarden Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.

13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen.

17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.

20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten kaum noch möglich sein, weiter Ela-Kredite an griechische Banken zu vergeben. (dpa)