Das Referendum beseitigt keine Schulden, keine Verarmung, schafft keinen funktionierenden griechischen Staat, sondern eskaliert den Konflikt nur.

Beim Referendum in Griechenland wurde den Wählern eine besonders komplizierte, nur Fachleuten verständliche und letztlich irreale Fragestellung vorgelegt. Über diese Insider-Fassung des Problems hatte die Regierung von Ministerpräsident Tsipras mit demagogischem Geschick einen hochgradig emotionalen, national-romantischen Appell gelegt. Da ging es nicht mehr darum, welche Bedingungen die Griechen für weitere Kredite zu erfüllen bereit sind. Sondern ob sie den Stolz und den Mumm hätten, sich gegen Demütigung, Erpressung und Einschüchterung zur Wehr zu setzen. „Oxi“, das Nein der Aufrechten, war Ehrensache.

Das hat funktioniert. Doch auf soviel Überschwang folgt der Kater. „Oxi“ hat offensichtlich eine satte Mehrheit der abgegebenen Stimmen, aber dieser Volksentscheid hat keinen Gewinner, sondern nur Verlierer. Tsipras wird das Versprechen nicht halten können, mit einem Vertrauensbeweis des Volkes in der Tasche werde er den Kreditgebern in kürzester Frist ein neues Hilfsprogramm inklusive Umschuldung abhandeln.

Falsche Folgerungen aus der Malaise

Für Griechenlands Euro-Partner und die Gläubiger-Institutionen ist es eine krachende Niederlage. Es rächen sich die Überbetonung der Sparphilosophie in den Hilfsprogrammen, die Vernachlässigung der politischen und sozialen Dimension. Sie werden es in Athen weiter mit einer Regierung zu tun haben, die ihrerseits aus der Malaise die falschen Folgerungen zieht und sich nun mehr denn je berufen fühlt, die ganze Eurozone auf neuen Kurs zu bringen, statt die dramatischen Strukturschwächen des eigenen Gemeinwesens zu reparieren.

Das Referendum beseitigt weder die Schlangen vor den Bankautomaten noch die Gefahr, dass Griechenland im Zuge des drohenden Finanzkollaps aus dem Euro-Verbund rutscht. Das Ziel, dies zu verhindern, ist die einzige erkennbare Gemeinsamkeit von Schuldner und Geldgebern - abgesehen vom tief empfundenen wechselseitigen Widerwillen. Sie sind zum Kompromiss verdammt, unter den denkbar schlechtesten Vorzeichen – es wird ein Sommer des Missvergnügens.

Griechen jubeln über Referendum

"Ochi" - "Nein"! Das Referendum in Griechenland vom Sonntag (5. Juli 2015) hat ein klares Ergebnis gebracht: Mit deutlicher Mehrheit wurden die Sparvorschläge der Eurogruppe abgelehnt... © dpa
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind.
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind. © Getty Images
"Nein" jedenfalls war auch - und vielleicht vor allem - eine Antwort auf eine innenpolitische Frage: Die Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte mit der Antwort auf das Referendum auch ihre eigene Zukunft verbunden. © dpa
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung...
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung... © dpa
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,...
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,... © dpa
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen...
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen... © Getty Images
...zur Schau gestellt wurde...
...zur Schau gestellt wurde... © dpa
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt...
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt... © Getty Images
...auch Feuerwerk war zu sehen...
...auch Feuerwerk war zu sehen... © Getty Images
...und Menschen, die eben jubelten.  Weil das
...und Menschen, die eben jubelten. Weil das "Nein" die Position der griechischen Regierung gegenüber den Euroländern stärken würde, wie es Ministerpräsident Alexis Tsipras im Vorfeld erklärte... © dpa
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte...
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte... © imago/Kyodo News
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen.
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen. © dpa
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert:
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert: "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", sagte Varoufakis etwa noch kurz vor dem Referendum einer spanischen Tageszeitung. © dpa
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt...
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt... © Getty Images
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen.
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen. © dpa
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung...
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung... © dpa
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch...
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch... © imago/Xinhua
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil...
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil... © imago/ZUMA Press
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar:
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar: "Ochi" stand für "Nein", "Nai" - anders als man als Nicht-Grieche vielleicht meint, für "Ja"... © imago/ZUMA Press
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für "Ja" geworben - und verkündete als Reaktion auf das Referendum am Montag seinen Rücktritt als Parteichef... © dpa
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok.
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok. © dpa
...Das griechische
...Das griechische "Oxi" brachte wichtige Auslandsbörsen nur wenig in die Bredouille: Der Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 fiel zuletzt um 2,04 Prozent. In Japan (Foto) schloss der Nikkei-Index mehr als 2 Prozent tiefer. Auch der Kurs des Euro gab nach, grenzte die Abschläge nach dem Varoufakis-Rücktritt aber ein, schreibt dazu die Nachrichtenagentur dpa. © dpa
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