Essen. Bei einem Referendum am 5. Juli sollen die Griechen sagen, ob sie den Forderungen der Gläubiger zustimmen oder sie ablehnen. Die 5 wichtigsten Fragen zur Volksabstimmung am Sonntag.

Die Volksabstimmung über den künftigen Spar- und Reformkurs in Griechenland spielt eine Schlüsselrolle im griechischen Schuldendrama. Bei dem Referendum am Sonntag sollen die Griechen sagen, ob sie Forderungen der Gläubiger zustimmen oder sie ablehnen. Das Hilfspaket, zu dem deren Bedingungen gehören, ist allerdings am 30. Juni ausgelaufen und damit überholt.

1. Ist das Referendum überhaupt als Mittel der Politik legitim?

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Ein klares Ja. Jede Regierung hat das Recht, die Bürger über eine Frage, die die Menschen direkt und massiv betrifft, abstimmen zu lassen. Dies betonen auch die Regierungen der anderen Euro-Länder, darunter die deutsche Bundeskanzlerin. Die 18 Euro-Partner Athens wollen zudem jeden Eindruck vermeiden, man wolle sich in die inneren Angelegenheiten Griechenlands einmischen.

2. Werden beim Ablauf des Referendums die gängigen Standards eingehalten?

Nein. Die kurzfristige Ansetzung der Befragung mit nur gut einer Woche Vorlauf macht es den Griechen schwer, sich eingehend mit der Materie zu befassen. Mindestens zwei Wochen Vorlauf gelten als Standard, wie er etwa vom Europarat festgelegt wurde, aber nicht bindend ist. Als im Mai 2005 die Regierungen in Frankreich und den Niederlanden die Bürger über die damals geplante europäische Verfassung abstimmen ließen, war dem eine intensive, wochenlange politische und gesellschaftliche Debatte vorausgegangen. Dies ist jetzt nicht der Fall. Außerdem macht die kurzfristige Ansetzung der Abstimmung die Entsendung internationaler Wahlbeobachter faktisch unmöglich.

3. Bietet das Referendum eine klare Alternative?

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Nein. Von einer klaren und verständlichen Formulierung bei dem Referendum kann keine Rede sein. Auf den Wahlzetteln heißt es: "Soll der gemeinsame Plan angenommen werden, den die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds bei der Eurogruppe am 25. Juni vorgelegt haben?" Anschließend wird erläutert, der Plan der drei Institutionen bestehe aus zwei Teilen, wobei die englischen Titel der Dokumente mit ihrer griechischen Übersetzung genannt werden: "Reformen zum Abschluss des laufenden Programms und darüber hinaus" und "Vorläufige Analyse der Tragfähigkeit der Schulden". Verständlich ist anders.

Das Problem ist zudem: Dieser "gemeinsame Plan" der drei Kreditgeber liegt überhaupt nicht mehr auf dem Verhandlungstisch. Denn die Gespräche darüber waren ja am vergangenen Wochenende gescheitert, als die griechische Regierung aus den Verhandlungen ausstieg - und die Fristen, die dafür entscheidend gewesen wären, sind inzwischen abgelaufen.

4. Was würden denn dann ein Ja oder Nein am Sonntag überhaupt bedeuten?

Im Grunde das Gleiche. Stimmt eine Mehrheit für den Plan der drei Institutionen, würde wieder verhandelt werden. Und es müsste sich zeigen, ob das ursprüngliche Angebot der Kreditgeber noch steht. Die Rahmenbedingungen haben sich durch den Ablauf der Frist schließlich verändert. Doch dürften sich die Partner neuen Gesprächen nicht verschließen.

Stimmt eine Mehrheit mit Nein, ginge auch kein Weg an neuen Verhandlungen vorbei. Denn den Euro verlassen, das zeigen Umfragen, will die klare Mehrheit der Griechen nicht. Also müsste es mit dem Euro weitgehen. Und dazu braucht man die anderen Euro-Länder und die drei Institutionen.

5. Was bedeutet der Ausgang des Referendums für die Zukunft der Regierung Tsipras?

Die Regierung, die den Griechen ja rät, den Plan der Kreditgeber abzulehnen, würde sich durch ein mehrheitliches Nein sicher gestärkt fühlen. Immerhin hätte sie ein Votum für ihre Haltung. Ob das dem Premier Tsipras bei seinen Verhandlungen auf Europa-Ebene letztlich hilft, ist aber fraglich. Denn Merkel, Hollande, Lagarde und Co. würden sicher nicht plötzlich einknicken vor der Athener Regierung - es bliebe bei der Forderung nach weiteren, schmerzhaften Reformen.

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Bei einer Mehrheit für den Plan stünde Tsipras ziemlich blamiert da. Neuwahlen wären nicht ausgeschlossen. Wer dann in Athen ans Ruder käme, ist völlig unklar. Ein Comeback der Alt-Parteien, die erst vor knapp einem halben Jahr für ihre Sparpolitik und den Zugeständnisse an die anderen Euro-Länder dramatisch abgestraft wurden, ist aber unwahrscheinlich. Also doch wieder Tsipras und seine Syriza? Dann ginge alles von vorn los.

Fazit: Für Griechenland bedeutet sowohl ein Ja zum Plan der Kreditgeber, als auch eine Ablehnung, dass die Verhandlungen mit Gläubigern und Euro-Ländern weitergehen. Der Poker um Reformen, Kredite und Auflagen beginnt von vorn. Das ist unvermeidlich. beim Referendum geht es allenfalls um die Frage, wer in diesem Poker die besseren Karten hat.