Berlin. . Im Edathy-Untersuchungsausschuss haben am Donnerstag ein Vizekanzler, ein Minister und ein Ex-Minister ausgesagt. Zurück bleiben etliche Ungereimtheiten.
Sigmar Gabriel spricht leise und ruhig. Doch es gelingt ihm nicht ganz, seinen Hang zu süffisanten Antworten zu unterdrücken. Als er gefragt wird, ob es ihm nicht möglich sei zu rekonstruieren, wann er den heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann über die Causa Edathy informiert habe, sagt er: „Ich wüsste nicht wie, es sei denn, wir hätten schon damals eine umfangreiche Vorratsdatenspeicherung gehabt.“ Lachen im Anhörungssaal 3.101 im Marie-Elisabeth-Lüders Haus des Bundestages. Man merkt, wie viel Lust Gabriel hat, auf dem Parteikonvent am Samstag seinen Leuten das umstrittene Gesetz zu verkaufen.
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Es geht bei der Befragung im Edathy-Untersuchungsausschuss am Donnerstagnachmittag um den 17. Oktober 2013. An diesem Tag beschlossen die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Gabriel (SPD): Wir machen eine Große Koalition. Um 15.59 Uhr verkündete Sigmar Gabriel vor den wartenden Journalisten: Die SPD wird Verhandlungen über eine Große Koalition aufnehmen. Am Rande dieser historischen Entscheidung darüber, wer Deutschland in den nächsten vier Jahren regieren soll, läuft jedoch noch eine zweite Handlung ab: Die Kinderpornoaffäre um Sebastian Edathy beginnt.
Friedrich informiert Gabriel
Hans-Peter Friedrich (CSU), damals Bundesinnenminister, wird von seinem Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche am Telefon darüber unterrichtet, dass der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy verdächtigt wird, Bilder von nackten Jugendlichen im Internet gekauft zu haben. Friedrich informiert am Nachmittag den SPD-Vorsitzenden. Gabriel schildert das Gespräch am Rande der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD - also bevor er vor die Presse trat und die Große Koalition verkündete - so: Friedrich sei zu ihm gekommen und habe gesagt: „Ich muss Ihnen eine unangenehme Mitteilung machen.“ Sie vereinbarten, diese Information vertraulich zu behandeln. Gabriel berichtete jedoch unmittelbar danach dem damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier von dem Verdacht gegen Edathy.
Doch Gabriel weiß nicht mehr genau, wann er Oppermann, damals Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, anrief. „Es kann eigentlich nur auf dem Weg nach Hause im Auto gewesen sein“, sagt Gabriel. Womöglich hat er aber auch erst am nächsten Tag mit Oppermann gesprochen.
Zeitpunkt ist entscheidend
Dabei ist der Zeitpunkt entscheidend. Denn Oppermann telefonierte, so viel ist bereits rekonstruiert, am 17. Oktober um 15:29 Uhr mit dem damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke, um sich den Verdacht gegen Sebastian Edathy bestätigen zu lassen. Die Obfrau der Grünen im Ausschuss, Irene Mihalic, fasst zusammen, was viele im Saal denken: „Das deutet darauf hin, dass Herr Oppermann das woanders her wusste.“
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Diesen Verdacht haben auch die Abgeordneten von CDU und CSU. Hätte Oppermann die Informationen über Edathy vorher gehabt, wäre der Rücktritt von Friedrich, im Februar 2014 Bundeslandwirtschaftsminister, womöglich nicht nötig gewesen. Zumindest hätte Oppermann in seinen bisherigen Aussagen die Unwahrheit gesagt.
Friedrich ist nicht verbittert
Friedrich klingt da ähnlich. Bei ihm geht es am Donnerstagmorgen unter anderem um die Pressemitteilung, in der Oppermann im Februar 2014 unter anderem öffentlich machte, dass Gabriel von Friedrich über den Fall Edathy informiert wurde. Oppermann rief damals bei Friedrich an und las ihm Teile eines Entwurfs der Pressemitteilung vor. Im Untersuchungsausschuss sagt er dazu: „Ich hab gedacht, dass Oppermann versucht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und mich dafür hinzuhängen.“
Friedrich wirkt an diesem Tag übrigens nicht bitter, eher entspannt und mit sich im Reinen. Angesprochen auf seinen Rücktritt im Laufe der Edathy-Affäre sagt er: „Es ist halt so wie es ist. Shit happens.“
Oppermann: Information über Edathy von Gabriel erfahren
Am Abend nahm dann Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf dem Zeugenstuhl Platz. Seine Beteiligung an dem Edathy-Drama war allerdings nach bisherigen Kenntnissen eher marginal. Auf Fragen von Parteikollegen, die Oppermann entlastet hätten, reagierte er leicht gereizt. Er sagt: "Ich bitte, mich nicht zu Spekulationen zu veranlassen."
Am späten Abend sagt Thomas Oppermann aus. Der Anruf von Gabriel habe ihn am 17. Oktober in seinem Büro in der SPD-Fraktion erreicht. "Das muss am Nachmittag gewesen sein", sagt Oppermann. "Der Zeitpunkt ist mir nicht erinnerlich." Die Informationen über Edathy habe er erstmals von Gabriel erfahren. "Nach dem Telefonat war ich fassungslos und schockiert." (mit dpa)