Berlin. Im Fall Edathy steht der Endspurt an. Eine Aufklärung der Affäre um Geheimnisverrat, Kinderpornografie und Strafvereitelung ist unwahrscheinlich.
Er ist der letzte Zeuge - Thomas Oppermann. Am 18. Juni soll der SPD-Fraktionsvorsitzende vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Edathy-Affäre aussagen. Mehrere der Zeugen, die vor ihm an der Reihe waren, und auch einige der Abgeordneten, die in diesem Ausschuss die Fragen stellen, halten ihn für eine Schlüsselfigur in dieser unappetitlichen Geschichte. Nur beweisen können sie es nicht. Immer wieder stoßen sie auf Erinnerungslücken und Schweigen.
Dass die Beweislage in dieser Affäre, in der es um Kinderpornografie, geplatzte Karriereträume, Loyalität und Geheimnisverrat geht, so schlecht ist, liegt vor allem an den großen Erinnerungslücken einiger Zeugen. "Ich spüre, dass einige Zeugen nicht kooperieren, leider vor allem die Abgeordneten", sagt Armin Schuster, CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss und ehemaliger Bundespolizist.
Niemand kann sich an irgendetwas erinnern
Besonders groß waren die Lücken im Gedächtnis des Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der SPD-Politiker hatte sich bei seiner Befragung im Januar weder erinnern können, wann und mit wem er ein Jahr zuvor über den Kinderporno-Verdacht gegen Edathy gesprochen hatte. Noch wusste er zu sagen, wann er zum letzten Mal Kontakt zu Edathy hatte. "Das war schon provozierend", ärgert sich Schuster. Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic meint, "Johannes Kahrs sollte ernsthaft überlegen, wo die Ursachen seiner mangelnden Erinnerungsfähigkeit zu suchen sind".
Wenig beeindruckt sind die Ausschussmitglieder auch von der Aussagefreudigkeit des SPD-Abgeordneten Michael Hartmann, von dem Sebastian Edathy geheime Informationen zu den Ermittlungen bezogen haben will. Er ist derzeit krankgeschrieben. "Ich würde mich nicht wundern, wenn Herr Hartmann erst wieder in Berlin seine Arbeit aufnehmen würde, nachdem der Ausschuss seine Beweisaufnahme abgeschlossen hat", sagt Schuster.
Hoffnung auf Aussage Oppermanns
Für Mihalic ist auch ohne eine weitere Aussage Hartmanns klar, "dass Sebastian Edathy von Michael Hartmann über Ermittlungen informiert wurde". Ob der Informationsfluss noch detaillierter aufgeklärt werden könne, sagt sie, hänge nun sehr von den noch ausstehenden Zeugenaussagen ab - beispielsweise von Thomas Oppermann.
Die Mehrheit der Ausschussmitglieder vermutet, dass Oppermann dem Innenpolitiker Hartmann im Herbst 2013 den Auftrag gab, Edathy zum Verzicht auf sein Bundestagsmandat zu bewegen - und zwar möglichst noch bevor die Ermittlungen öffentlich bekanntwurden. Das Ganze sollte, so ihre Theorie, möglichst geräuschlos und ohne Schaden für die SPD ablaufen. Doch Edathy wartet bis zum 7. Februar 2014. Wenige Tage bevor die Polizei seine Büros nach kinderpornografischem Material durchsuchte, zog er sich "aus gesundheitlichen Gründen" aus der Politik zurück.
Dauerhafter Schaden für die SPD
In einer Pressemitteilung, die Oppermann am 13. Februar 2014 veröffentlichte, räumte der Fraktionschef zwar ein, dass er Hartmann gebeten habe, sich um Edathy "zu kümmern". Allerdings führte er zur Begründung nicht die Ermittlungen an, sondern Edathys "schlechten Gesundheitszustand".
Dabei wusste Oppermann schon seit Mitte Oktober 2013 von dem Verdacht gegen Edathy. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte ihn damals eingeweiht, nachdem ihn der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt hatte. Das hätte Friedrich, der seine Informationen vom Bundeskriminalamt bezog, nicht tun dürfen. Am 14. Februar 2014 - einen Tag nachdem ihn Oppermann als Informanten der SPD-Spitze genannt hatte - trat er von seinem Posten als Bundeslandwirtschaftsminister zurück. Friedrich ist der erste Zeuge, den der Untersuchungsausschuss in seiner letzten Vernehmung befragen will. Dann sollen direkt hintereinander Gabriel, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Oppermann im Saal des Ausschusses erscheinen.
Doch auch wenn die Wahrheit in dieser Affäre nie vollständig ans Licht kommen sollte. CDU-Obmann Schuster ist überzeugt: "Es bleibt ein schleichender Dauerzweifel, von dem sich nicht nur die SPD nicht wird freimachen können." Was ihn ärgert: "Die Angelegenheit Edathy schadet der Politik insgesamt." (dpa)