Berlin. In der Debatte um Sterbehilfe haben Abgeordnete aller Parteien einen Gesetzentwurf präsentiert. Kernfrage ist: Was ist würdiges Sterben?

Es kommt nicht oft vor, dass CSU-Politiker mit Kollegen von der Linksfraktion gemeinsame Sache machen: Bei der Frage aber, wie würdiges Sterben in Deutschland gelingen kann, spielt Parteipolitik nur eine Nebenrolle.

Nach monatelangen Gesprächen haben Politiker von Union, SPD, Grünen und Linken einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgestellt: Sterbehilfevereine sowie die Angebote selbst ernannter Sterbehelfer sollen verboten werden – Angehörige, Ärzte oder Pfleger dage­gen bleiben straffrei, wenn sie im Einzelfall bei der Selbsttötung helfen. Der Vorschlag dürfte die Mehrheit im Parlament bekommen.

Kein „Tod auf Bestellung“

Der zentrale Punkt: Sterbehilfe am Lebensende soll kein reguläres Angebot werden. „Assistierter Suizid darf keine Dienstleistung sein“, begründete Elisabeth Scharfenberg, Pflegeexpertin der Grünen, die fraktionsübergreifende Initiative. Es wäre eine „Bankrotterklärung“ für den Umgang der Gesellschaft mit Schwerkranken und Verzweifelten. Auch CSU-Kollege Michael Frieser graut vor einem „Tod auf Bestellung“.

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Linken-Politikerin Halina Wawzyniak dagegen hat eher die Autonomie am Lebensende im Blick, ebenso wie Michael Brand (CDU): „Wir wollen nicht, dass sich Menschen unter Druck gesetzt fühlen und sich als Last empfinden.“ Viel zu oft würden Alte und Schwache nur als Kostenfaktor betrachtet. Ohne gesetzliches Nein zur organisierten Sterbehilfe öffne sich eine Tür, „die nicht mehr zu schließen ist“. Mit Sorge schauen die Initiatoren auf Länder wie Belgien, wo sich nach der Liberalisierung die Zahl der begleiteten Suizide in kurzer Zeit versechsfacht habe.

Haftstrafen für Sterbehelfer

Per Gesetz will die Politikergruppe die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ verbieten. Bei Verstößen drohen bis zu drei Jahre Haft. Betroffen wären nicht nur kommerzielle Anbieter, sondern auch Vereine, die keine Gewinnabsicht haben, oder Sterbehelfer, die aus Überzeugung und auf eigene Kosten arbeiten. Entscheidend ist, ob das Angebot auf Wiederholung angelegt ist. „Wenn ein Arzt Suizidhilfe als sein Hauptgeschäft betreibt, dann ist das verboten“, so die SPD-Politikerin Kerstin Griese.

Ärzte behalten Spielraum

Grundsätzlich aber soll die Beihilfe zum Suizid straffrei bleiben. Das gilt nicht nur für Angehörige oder Freunde, auch für Ärzte: Der Onkologe, der ein- oder zweimal in seinem Berufsleben sterbewilligen Krebspatienten tödliche Medikamente zur Verfügung stellt, bliebe demnach genauso straffrei wie der Ehemann, der seiner Frau ein tödliches Medikament besorgt.

Auch für die Schmerztherapie gilt: Erleichtert der Arzt seinem Patienten das Sterben, indem er schweres Leid durch eine palliative Sedierung bekämpft oder in Kauf nimmt, dass das Leben des Patienten durch Medikamente verkürzt wird, so bleibt auch das erlaubt.

Die Vorschläge der anderen

Im Bundestag haben sich drei weitere Gruppen gebildet: Unionspolitiker um Patrick Sensburg wollen die Beihilfe zum Suizid grundsätzlich mit bis zu fünf Jahren Haft bestrafen. Eine weitere Gruppe um Peter Hintze (CDU) und die SPD-Gesundheitsexperten Carola Reimann und Karl Lauterbach will auf den Wunsch vieler Bürger eingehen und Sterbehilfe durch Ärzte per Gesetz absichern: „Wir wollen eine rechtssichere Regelung für Ärzte, die in Einzelfällen zu einer Suizidbeihilfe bereit sind“, so Reimann. Eine dritte Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) schlägt vor, nur die kommerziellen Sterbehilfevereine zu verbieten, Vereine ohne Gewinnabsicht sollen weiter arbeiten dürfen. Der Bundestag will Anfang November entscheiden.