Essen. Deutschland will die Sterbehilfe bald gesetzlich Regeln. Experten sehen die Pläne kritisch und warnen: “Wir nutzen Palliativpatienten als Geldquelle.“

Kurz vor der Entscheidung zur gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe in Deutschland erheben Experten Kritik am Umgang mit Patienten am Lebensende. Von „Geschäften mit den Sterbenden“ spricht der Wittener Palliativarzt Dr. Matthias Thöns: „Wir nutzen Palliativpatienten als Geldquelle, denn Sterbende machen alles mit.“

Der Arzt sieht vor allem die zunehmende Heimbeatmung kritisch: „Diese Beatmung kostet pro Patient 21 600 Euro im Monat. Da lässt sich viel Geld verdienen.“ Laut Gesundheitsministerium werden in NRW 2756 Patienten in der Pflege beatmet, davon 955 stationär und 1800 Patienten ambulant.

Patienten werden beatmet, „bis sie dann sterben“

Das Spektrum für die Behandlung alter Menschen habe sich zu stark ausgeweitet, so Thöns. So würden zum Beispiel Patienten mit schwerem Hirninfarkt, die früher auf natürlichem Weg gestorben wären, beatmet, „bis sie dann sterben“.

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Palliativmediziner Thöns berichtet von einem seiner beatmeten Pflegepatienten, den er untersuchen sollte und dann feststellen musste: „Der Patient war aber schon länger tot.“ Heftig kritisiert er auch Fälle, wo „vor dem Sterben des Patienten schnell noch eine Operation abgerechnet wird.“ Ein Bett auf der Intensivstation kostet laut Statistik in etwa 1500 Euro pro Tag.

Experte kritisiert den "Beatmungsmarkt"

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hält die Kritik des Palliativarztes für durchaus berechtigt. Der Beatmungsmarkt sei ein großer, wachsender Markt, der auch von immer mehr privaten Anbietern bestritten wird. „Es ist in der öffentlichen Diskussion ein absolutes Tabuthema“, so Wega Wetzel von der DGHS. „Gerade am Ende des Lebens ist sehr, sehr viel Geld im Spiel.“ Leider sei die Patientenverfügung keine Garantie, dass lebenserhaltende Maßnahmen auf Patientenwunsch abgebrochen werden.

Thöns erhält Unterstützung vom renommierten Pflegekritiker Claus Fussek. Auch Fussek spricht davon, dass selbst mit den Patienten am sichtbaren Ende des Lebens „ein Geschäft unter dem Deckmantel der Humanität“ betrieben werde. „Patienten werden von Kliniken zum Teil an Pflegeanbieter verkauft.“

Die Bundesregierung will die Hospize stärken und die Palliativversorgung verbessern: Jährlich sollen zusätzlich bis zu 200 Millionen Euro in die stationäre und ambulante Versorgung schwerkranker und sterbender Patienten fließen. Das Gesetz soll im November verabschiedet werden.