Washington/Zürich. Die Schweiz und Amerika nehmen in Zürich hohe Fußball-Funktionäre fest. Die Anklage: Geldwäsche, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität.

Der Weltverband Fifa hat insgesamt elf Funktionäre vorläufig für sämtliche Fußball-Aktivitäten gesperrt. Darunter seien auch die Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo, teilte der Weltverband nach einer Entscheidung seiner Ethikkommission am Mittwoch mit. Zudem forderte die Europäische Fußball-Union nach den Festnahmen von sieben hochrangigen Funktionären die für Freitag geplante Verschiebung der Präsidentenwahl beim Weltverband. Das teilte Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino mit.

"Die heutigen Ereignisse sind ein Desaster für die Fifa und beschädigen das Image des Fußballs", hieß es in einer Uefa-Mitteilung. Der Kongress drohe zur Farce zu werden.

Deshalb sollten die europäischen Verbände darüber nachdenken, die Versammlung der 209 Fifa-Mitgliedsländer zu boykottieren. Der Verband brauche eine neue Führung. "Deshalb sollte der Kongress verschoben und eine neue Präsidentenwahl innerhalb der kommenden sechs Monate organisiert werden", forderte die Uefa.

Die juristische Blutgrätsche gegen die Fifa, die am Mittwoch die Fußball-Welt erschütterte, ereignet sich im Morgengrauen in einem der teuersten 5-Sterne-Hotels am Zürich-See. Polizisten in Zivil rissen im "Baur au Lac" sieben hohe Funktionäre aus dem engsten Machtzirkel von Fifa-Chef Joseph Blatter aus dem Schlaf und steckten sie nach Anklageverlesung in Abschiebehaft Richtung Washington DC/Amerika.

"Zügellose, systemische und tief verwurzelte Korruption“, wirft Loretta Lynch, US-Justizministerin, der Fifa vor. © dpa

Dort hatte Justizministerin Loretta Lynch zeitgleich die Vorwürfe konkretisiert, die die für morgen (Freitag) geplante fünfte Wahl Blatters zum Präsidenten des Welt-Fußballverbandes überschatten: „zügellose, systemische und tief verwurzelte Korruption“, der sich „mindestens zwei Generationen von Funktionären schuldig gemacht haben“.

Bestechungsgelder und Provisionen in Höhe von insgesamt 150 Millionen Dollar

Laut Lynch haben die insgesamt 14 Beschuldigten, darunter mit Jeffrey Webb (Cayman-Inseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay) zwei amtierende Blatter-Vize, im Verein mit Sportrechte-Vermarktern seit mindestens 1991 ihre „Vertrauensstellungen fortgesetzt missbraucht“, um „Bestechungsgelder und Provisionen“ in Höhe von insgesamt rund 150 Millionen Dollar einzustreichen. In einem Fall seien zehn Millionen Dollar an ein Fifa-Mitglied geflossen.

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„Wir haben die Absicht, solchen korrupten Praktiken ein Ende zu setzen“, sagte Amerikas erste schwarze Justizministerin in New York, bedankte sich für die Unterstützung der eidgenössischen Justiz und deutete an, dass der Zugriff in der Schweiz erst der Auftakt einer umfangreicheren Säuberungsaktion gewesen sein könnte. Wie lange das Auslieferungsverfahren für die Betroffenen dauern wird, ließ sie offen.

Korruptionsbekämpfung ist Lynchs Markenzeichen

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Weil die mutmaßlichen verbrecherischen Machenschaften auf amerikanischem Boden, unter anderem in der in Miami beheimaten Zentrale des Fußball-Verbandes für Nord- und Mittelamerika (Concacaf), und mit Hilfe amerikanischer Banken abgewickelt worden seien, hat Lynch den Finger am Abzug. Die 55-Jährige ist bestens im Stoff, war sie doch als Staatsanwältin in Brooklyn seit drei Jahren mit dem Thema Fifa im Detail befasst. Korruptionsbekämpfung, ob an der Wall Street oder in der Politik, ist ihr Markenzeichen.

Daneben hat die Schweizer Staatsanwaltschaft ein gesondertes Strafverfahren aufgelegt, das die Bestechungsgerüchte rund um die Vergaben der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar durchleuchten soll. Der inzwischen zurückgetretene Fifa-Sonder-Ermittler Michael Garcia, ein frühere Staatsanwalt aus New York, der mit einer FBI-Agentin verheiratet ist, hatte Ende 2014 massive Unregelmäßigkeiten ausgemacht. Seine Recherchen, so Garcia, seien aber von dem deutschen Fifa-Ethik Richter Hans Joachim Eckert verdunkelt worden. Zehn Mitglieder des Fifa-Exekutiv-Komitees stehen jetzt offiziell unter dem Verdacht der „Veruntreuung“ und der „Geldwäsche“. Die beiden Handlungsstränge in Washington und in Zürich sind offiziell säuberlich getrennt, in der Sache laut Insidern im Justizministerium aber „eng verwoben“.

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Der von Lynch, FBI-Chef James Comey und Richard Weber, dem Chef-Ermittler der nationalen Steuerbehörde IRS, erläuterte Frontalangriff auf die Fifa hat einen langen Vorlauf, den ein Staatsanwalt mit einem Wort beschrieb: „Gier“.

Zwei Ex-Blatter-Spezis im Visier

Bereits 2011 hatten die US-Behörden mit Jack Warner und Chuck Blazer zwei frühere Blatter-Spezis im Visier. Beide sicherten dem Fifa-Chef, der am Mittwoch über seinen Pressesprecher demonstrativ Gelassenheit verbreiten ließ, bei Wahlen mit Regelmäßigkeit das 40 Stimmen umfassende Paket der Concacaf. Als Belohnung sollen Warner (Trinidad/Tobago) laut Ermittlern von Blatter zu günstigen Konditionen die Fernsehrechte bei Weltmeisterschaften für die Karibik zugeschanzt worden sein. Blazer, einst Schatzmeister der Concacaf, durfte über fingierte Marketingverträge (mit sich selbst) Millionen auf Offshore-Konten lotsen.

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Blazer wie Warner sind längst aus ihren Fifa-Ämtern entfernt worden. Was sie für die Ermittler umso wertvoller machte. Nach Angaben aus US-Justizkreisen versah Blazer für das FBI bei Olympia 2012 in London mittels eines in einem Schlüsselanhänger installierten Mikrofons bei Gesprächen mit Fifa-Funktionären bahnbrechende Spitzeldienste. Blazer selbst bekannte sich bereits 2013 der organisierten Kriminalität schuldig und bezahlte ein erste Strafgeld-Rate von 1,9 Millionen Dollar. Zwei Söhne Warners, die bei dem „Riesenbetrug“ (Lynch) mitmachten, taten es ihm gleich. José Hawilla, Eigentümer des brasilianischen Marketing-Konsortiums Traffic Group, die mit Tochterfirmen in Florida vertreten ist, zeigte ebenfalls Reue und willigte ein, über 150 Millionen Dollar an den US-Fiskus zu erstatten. Alle, so Ermittler, haben umfangreiche Geständnisse abgelegt.

Fifa-Skandale unter Blatter

Die Präsidentschaftwahl 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson (links) kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50 000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist.
Die Präsidentschaftwahl 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson (links) kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50 000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist. © Imago
Der ISL-Skandal: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange (rechts) und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte.
Der ISL-Skandal: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange (rechts) und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte. © Imago
Auch die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland...
Auch die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland... © Imago
...und Katar sorgte für Ärger. Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium
...und Katar sorgte für Ärger. Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium © Imago
Ebenfalls recht dubios lief Blatters Wiederwahl im Jahr 2011 ab. Seinerzeit trat Blatters langjähriger Weggefährte Mohamed bin Hammam gegen den Schweizer an.
Ebenfalls recht dubios lief Blatters Wiederwahl im Jahr 2011 ab. Seinerzeit trat Blatters langjähriger Weggefährte Mohamed bin Hammam gegen den Schweizer an. © Imago
Lange schien es, als könne der Katarer Blatter tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40 000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten.
Lange schien es, als könne der Katarer Blatter tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40 000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten. © Imago
Ein ganzes Land im Fußballwahn. Die WM 2006 wurde in Deutschland zum Fußball-Fest. Doch auch dieses Turnier hatte seinen eigenen FIFA-Skandal.
Ein ganzes Land im Fußballwahn. Die WM 2006 wurde in Deutschland zum Fußball-Fest. Doch auch dieses Turnier hatte seinen eigenen FIFA-Skandal. © Imago
Denn FIFA-Vizepräsident Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona.
Denn FIFA-Vizepräsident Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona. © Imago
Nun rollt der nächste Skandal auf die FIFA zu. Sechs Funktionäre wurden festgenommen. Die Vorwürfe: Betrug, Erpressung, Geldwäsche.
Nun rollt der nächste Skandal auf die FIFA zu. Sechs Funktionäre wurden festgenommen. Die Vorwürfe: Betrug, Erpressung, Geldwäsche. © dpa
Der neuerliche Skandal trifft FIFA-Präsident Sepp Blatter zur Unzeit. Am Freitag wollte der Schweizer sich für eine weitere Periode im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigen lassen. Blatters Wahl galt als sicher.
Der neuerliche Skandal trifft FIFA-Präsident Sepp Blatter zur Unzeit. Am Freitag wollte der Schweizer sich für eine weitere Periode im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigen lassen. Blatters Wahl galt als sicher. © Imago
FIFA-Sprecher Walter De Gregorio versuchte deshalb sein bestes, den umstrittenen Präsidenten am Mittwoch aus der Schusslinie zu holen. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte er klar, dass nicht gegen Blatter ermittel werde. Der Schweizer sehe das Verfahren deshalb
FIFA-Sprecher Walter De Gregorio versuchte deshalb sein bestes, den umstrittenen Präsidenten am Mittwoch aus der Schusslinie zu holen. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte er klar, dass nicht gegen Blatter ermittel werde. Der Schweizer sehe das Verfahren deshalb "ganz entspannt". © Imago
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