Essen. Auf der Pressekonferenz zum neuerlichen Skandal versuchte FIFA-Sprecher De Gregorio Normalität vorzutäuschen - und lieferte sein Meisterstück ab.

Mehrere leitende Funktionäre wurden von der Polizei festgenommen, der Hauptsitz der Organisation durchsucht. Die meisten anderen Organisationen würden solche Nachrichten erschüttern. Nicht so die FIFA. Der Fußball-Weltverband reagiert auf die Enthüllungen mit einer hart erarbeiteten Routine. Schönreden, runterspielen, sich selbst als Aufklärer inszenieren. So funktioniert das "System Blatter" seit mittlerweile 17 Jahren. So überstand der 79-Jährige bereits zahlreiche Affären. Nach den neuesten Enthüllungen um den Fußball-Weltverband stellt Blatter sich nicht einmal mehr selbst der Presse.

Stattdessen schickte er seinen Kommunikations-Chef Walter De Gregorio. Blatter wusste wohl, warum. Der 79-Jährige gilt nicht gerade als Kommunikationsexperte. In der Vergangenheit machte er bei Pressekonferenzen häufig keine glückliche Figur. Ganz anders Walter de Gregorio.

Sepp Blatter ist in der Kritik, nicht in den Schlagzeilen

Der ehemalige Boulevard-Journalist verstand es, seinen Chef aus der Schusslinie zu bringen. Was er sagte, klang zwar absurd, lieferte den anwesenden Journalisten aber keine Angriffsfläche. Blatter steht zwar in der Kritik, aber nicht in den Schlagzeilen. Dort stehen der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannte FIFA-Funktionäre. Das hat Blatter auch Walter De Gregorio zu verdanken.

Der FIFA-Sprecher weiß, wie Medien funktionieren. Bis 2011 arbeitete er selbst als Journalist. Doch schon damals fiel er nicht als Gegner der FIFA auf. In einem Artikel der "Weltwoche" erklärte der 50-Jährige alle Kritik an der FIFA für scheinheilig. Korruption gebe es schließlich überall. "Na und?", fragte De Gregorio seine Leser.

De Gregorio holt Sepp Blatter aus der Schussbahn

Am Mittwochmittag hatte De Gregorio dann seinen großen Auftritt. Hunderte Journalisten hatten sich nach Bekanntwerden des neuesten FIFA-Skandals in Zürich versammelt und hofften auf ein Beben im Fußball-Weltverband. De Gregorios Job hingegen war es, vorzutäuschen, er betreibe nichts als langweiliges Tagesgeschäft.

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"In jeder normalen Organisation würden die Spitzen des Verbandes zur Rechenschaft gezogen", kritisierte ein Reporter. "Warum ist Sepp Blatter immer noch an der Spitze der FIFA?" De Gregorio zuckte lediglich mit den Schultern. Gegen Blatter werde schließlich nicht ermittelt. Wofür solle man ihn also zur Rechenschaft ziehen?

FIFA-Skandal wird bei De Gregorio zur FIFA-Reform

De Gregorio hatte sogar die Chuzpe, es so darzustellen, als habe die FIFA selber die Ermittlungen angestoßen. So zerredete er den FIFA-Skandal zur FIFA-Reform. "Heute ist ein guter Tag für uns", behauptete er. Wie es Sepp Blatter gehe, wollte ein Journalist wissen. "Er hat heute nicht in seinem Büro getanzt", entgegnete De Gregorio. Aber Blatter sehe die Ermittlungen "entspannt." Die Botschaft war klar: Legt euch wieder hin. Hier geht alles normal weiter.

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Blatter und De Gregorio dürften mit der Pressekonferenz vor allem das Ziel verfolgen, Zeit zu gewinnen. Am Freitag soll Sepp Blatter beim FIFA-Kongress als Präsident wiedergewählt werden.

Sepp Blatter spielt auf Zeit

Die Wahl des 79-Jährigen galt als sicher. Gegenkandidaten wie Ex-Weltfußballer Luis Figo hatten zuletzt entnervt aufgegeben.

Am Ende blieb nur der ebenso junge wie chancenlose jordanische Prinz Ali Bin Al Hussein. Wenn es Blatter und seinem Apparat gelingt, den Skandal vom Schweizer fernzuhalten, dürfte er deshalb im Amt bleiben, der aktuelle Skandal dürfte Blatter dann kaum noch gefährlich werden. Dank "Chefherunterspieler" De Gregorio dürfte Blatter diesem Ziel am Mittwoch etwas näher gekommen sein.

FIFA-Skandale unter Blatter

Die Präsidentschaftwahl 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson (links) kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50 000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist.
Die Präsidentschaftwahl 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson (links) kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50 000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist. © Imago
Der ISL-Skandal: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange (rechts) und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte.
Der ISL-Skandal: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange (rechts) und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte. © Imago
Auch die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland...
Auch die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland... © Imago
...und Katar sorgte für Ärger. Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium
...und Katar sorgte für Ärger. Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium © Imago
Ebenfalls recht dubios lief Blatters Wiederwahl im Jahr 2011 ab. Seinerzeit trat Blatters langjähriger Weggefährte Mohamed bin Hammam gegen den Schweizer an.
Ebenfalls recht dubios lief Blatters Wiederwahl im Jahr 2011 ab. Seinerzeit trat Blatters langjähriger Weggefährte Mohamed bin Hammam gegen den Schweizer an. © Imago
Lange schien es, als könne der Katarer Blatter tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40 000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten.
Lange schien es, als könne der Katarer Blatter tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40 000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten. © Imago
Ein ganzes Land im Fußballwahn. Die WM 2006 wurde in Deutschland zum Fußball-Fest. Doch auch dieses Turnier hatte seinen eigenen FIFA-Skandal.
Ein ganzes Land im Fußballwahn. Die WM 2006 wurde in Deutschland zum Fußball-Fest. Doch auch dieses Turnier hatte seinen eigenen FIFA-Skandal. © Imago
Denn FIFA-Vizepräsident Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona.
Denn FIFA-Vizepräsident Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona. © Imago
Nun rollt der nächste Skandal auf die FIFA zu. Sechs Funktionäre wurden festgenommen. Die Vorwürfe: Betrug, Erpressung, Geldwäsche.
Nun rollt der nächste Skandal auf die FIFA zu. Sechs Funktionäre wurden festgenommen. Die Vorwürfe: Betrug, Erpressung, Geldwäsche. © dpa
Der neuerliche Skandal trifft FIFA-Präsident Sepp Blatter zur Unzeit. Am Freitag wollte der Schweizer sich für eine weitere Periode im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigen lassen. Blatters Wahl galt als sicher.
Der neuerliche Skandal trifft FIFA-Präsident Sepp Blatter zur Unzeit. Am Freitag wollte der Schweizer sich für eine weitere Periode im Amt des FIFA-Präsidenten bestätigen lassen. Blatters Wahl galt als sicher. © Imago
FIFA-Sprecher Walter De Gregorio versuchte deshalb sein bestes, den umstrittenen Präsidenten am Mittwoch aus der Schusslinie zu holen. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte er klar, dass nicht gegen Blatter ermittel werde. Der Schweizer sehe das Verfahren deshalb
FIFA-Sprecher Walter De Gregorio versuchte deshalb sein bestes, den umstrittenen Präsidenten am Mittwoch aus der Schusslinie zu holen. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte er klar, dass nicht gegen Blatter ermittel werde. Der Schweizer sehe das Verfahren deshalb "ganz entspannt". © Imago
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