Essen. Die Justizminister wollen den Einsatz der elektronischen Fußfessel deutlich ausweiten - derzeit kommen sie erst bei 76 Stratätern zum Einsatz.
Sie ist wasserdicht, stoßfest, schließt sich oberhalb des Knöchels um das Bein und wird über einen Akku betrieben. Sie meldet sich mit einem roten Blinksignal und sendet grüne Richtungspfeile, wenn ihr Träger Wege einschlägt, die er nicht gehen darf.
In Deutschland müssen aufgrund eines Richterbeschlusses 76 Probanden, die ihre Haftstrafen abgebüßt haben, solche ständigen und mit einem Sender ausgestatteten Fußfesseln erdulden. 57 von ihnen sind wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden, 19 wegen anderer Gewalttaten.
Fußfessel beschäftigt Gerichte
Noch vor der Sommerpause werden die Justizminister der Bundesländer darüber befinden, ob das seit 2012 von Gerichten genutzte Instrument der Fußfessel-Überwachung in weiteren Fällen angewendet werden soll: Bei häuslicher Gewalt zum Beispiel, wenn Frauen vor ihren schlagenden Männern geschützt werden müssen. Oder auch, um gewalttätige Fußball-Hooligans zu kontrollieren.
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Hier würde dann in der zentralen Überwachungsstelle im hessischen Bad Vilbel, die rund um die Uhr das GPS-Ortungssystem nutzt, Alarm geschlagen, wenn sich der Delinquent verbotenerweise dem Austragungsort eines Champions League-Spiels nähert.
Justizminister berichten von "sehr guten Erfahrungen"
Es sind erste Überlegungen. Aber Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hat die Pläne auf die Tagesordnung der nächsten Justizministerkonferenz im Juni in Stuttgart gesetzt. „Sehr gute Erfahrungen“ habe man gemacht. „und das macht uns Mut , auch weitere Einsatzfelder der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zu prüfen“, sagt Kühne-Hörmann. Auf der Fachebene sei Zuspruch aus anderen Bundesländern gekommen, heißt es dazu in Wiesbaden.
Die Zahl der Überwachten ist bisher recht niedrig. Aber sie steigt kontinuierlich . Nach dem Start 2012 waren bundesweit 34 Probanden elektronisch unter Aufsicht. Heute sind es mehr als doppelt so viele. Nach Angaben des zuständigen hessischen Ministeriums nutzen die bayerischen Gerichte das Rechtsinstrument am meisten. Richter in NRW sind eher zurückhaltend.
Mehr als 20.000 Fälle in Spanien
Aktuell kommen 26 der Überwachungsfälle aus dem Freistaat. Es folgen Hessen mit neun und Nordrhein-Westfalen mit sieben Tätern. Aus Berlin und Baden-Württemberg sind je vier zu Überwachende gemeldet, aus Hamburg derzeit zwei. Vier Bundesländer haben sich dem Projekt bisher nicht angeschlossen. Die Fußfessel-Methode ist, allerdings unter anderen rechtlichen Voraussetzungen, im Ausland stärker vertreten. Nachbar Niederlande wendet sie aktuell in 500 Fällen an, Spanien sogar in mehr als 20 000.
Doch Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern, wo vier von sechs entlassenen Strafgefangenen trotz Fessel neue Straftaten begangen haben sollen, und auch der Fall Nasser M. zeigen, dass Fußfesseln ein Reizthema für Täter sind und dann auch den Behörden Probleme machen können.
Ist der Akku leer, löst der Alarm aus
Der Hamburger M. hatte 2006 seiner Ehefrau in München aufgelauert und versucht, sie mit dem Messer zu töten. Eifersucht! Der kleine Sohn bekam alles mit. Nach acht Jahren „Santa Fu“ wegen versuchten Totschlags kam er frei unter der Voraussetzung, sich durch die Fessel überwachen zu lassen. Er darf Hamburg nicht verlassen. Die Meldeauflage soll seine Ehefrau in München schützen. Vor wenigen Wochen stellten die Überwacher fest, dass der Mann den Akku der Fußfessel nicht mehr auflud, was sonst jeden Tag erfolgen muss. Die Signale waren abgebrochen.
So etwas löst genauso den Alarm aus wie die gefürchteten „Verbotszonenverstöße“. Fällt das auf, wird der ehemalige Strafgefangene, den Ortungsintervalle verraten, sofort übers Handy angesprochen. Etwa so: „Verlassen Sie die Zone sofort. Ich verfolge Ihren Weg hier am Bildschirm“. Reagiert er darauf nicht und bleibt in dem verbotenen Bereich, wird dies eine Sache der Polizei.
Opferschutz und Vermeidung von U-Haft
Nach einem Eingreifen der Behörden befolgt der Hamburger M. jetzt wieder die Anweisungen. Er muss sich zusätzlich zweimal am Tag bei einer bestimmten Polizeiwache melden. Aber immerhin in bundesweit 433 Fällen seit 2012 haben die Überwacher in Bad Vilbel örtliche Polizisten einschalten müssen, um Probanden zur Ordnung zu rufen.
Der ganze Aufwand dient vor allem dem Opferschutz, sagen sie im zuständigen hessischen Justizministerium, und werben um den Einsatz der Fesseln auf anderen Straftats-Gebieten. In Nordrhein-Westfalen hält sich die Landesregierung zurück und scheint eher eine Anwendung zur Vermeidung von U-Haft, zur Einhaltung von Meldeauflagen und bei Straftaten in minder schweren Fällen zu befürworten.
FDP-Abgeordnete hatten 2014 gefragt, ob es eine Ausdehnung geben werde. Die Landesregierung prüfe, „ob und in welchen Bereichen das Instrument der elektronischen Aufenthaltsüberwachung nutzbringend eingesetzt werden kann“, hieß die Antwort. .