München. Ein verurteilter Sexualstraftäter soll trotz einer elektronischen Fußfessel im April 2012 ein siebenjähriges Mädchen missbraucht haben. Beim Prozessauftakt in München verweigerte der Angeklagte seine Aussage. Sein Verteidiger gab als Begründung Misstrauen gegenüber dem zuständigen psychologischen Gutachter an.

Trotz Überwachung mit elektronischer Fußfessel soll ein verurteilter Sexualstraftäter ein Kind missbraucht haben. Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht in München verweigerte der 41-Jährige am Mittwoch zunächst die Aussage. Sein Verteidiger begründete dies mit Misstrauen gegenüber dem zuständigen psychiatrischen Gutachter. Der hatte im Jahr 2006 die nachträgliche Sicherungsverwahrung für den Mann befürwortet. Die Verteidigung forderte darum zumindest einen weiteren Sachverständigen. Dann werde sich der Angeklagte auch zu den Vorwürfen äußern.

Straftat trotz Fußfessel

Der heute 41-Jährige war aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden und trug anschließend eine elektronischen Fußfessel, um weitere Straftaten zu verhindern. Dennoch soll er sich im April 2012 an einem damals sieben Jahre alten Mädchen vergangen haben. Bei einer Verurteilung durch das Landgericht München I drohen dem Angeklagten bis zu fünfzehn Jahre Haft.

Der Fall hatte im vergangenen Jahr bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der Mann war 1999 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 23 Fällen zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Nach Verbüßung der Strafe hatte das Landgericht München I nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet. Wegen neuer Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Möglichkeit, Straftäter auch nach dem Verbüßen ihrer Haft im Gefängnis zu halten, wurde der Mann dann freigelassen. Das entscheidende Gericht sah die von Karlsruhe geforderte Schwelle einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualstraftaten bei dem Mann nicht mit der erforderlichen Sicherheit als gegeben an.

Verdächtiger weigerte sich, die Fußfessel aufzuladen

Der Sextäter bekam zwar als einer der ersten Straftäter in Bayern zur Führungsaufsicht die neu eingeführte elektronische Fußfessel. Außerdem wurde gegen ihn ein Verbot verhängt, Kontakt zu minderjährigen Mädchen aufzunehmen und Wohnungen zu betreten, in dem Minderjährige wohnen oder sich aufhalten. Der Angeklagte soll dennoch im April vergangenen Jahres und trotz Fußfessel in der Wohnung seiner neuen Bekannten gewesen sein und sich - als diese schlief - an deren Tochter vergangen haben.

Kurz nach dieser Tat und noch vor deren Bekanntwerden wurde der Mann wieder in Untersuchungshaft genommen, weil er sich weigerte, die mit einem Akku betriebene elektronische Fußfessel aufzuladen. Wenige Tage später zeigte der Vater des Mädchens den sexuellen Missbrauch an, weshalb der Angeklagte seitdem wieder im Gefängnis sitzt.

Fußfessel bei Sexualstraftätern problematisch

Die elektronische Fußfessel taugt nach Ansicht der Strafrechtspsychologin Gunda Wößner nur bedingt zur Überwachung von Kriminellen. Es gebe noch zu wenige Erfahrungswerte, sagte die Expertin im ZDF-Interview, das im Internet auf heute.de veröffentlicht wurde.

"In Deutschland ist die elektronische Überwachung ein sehr neues Instrument. Selbst wenn man nach Amerika schaut, wo dies schon länger praktiziert wird, findet man relativ wenig aussagekräftige Studien, die sich bislang damit beschäftigt haben", sagte Wößner. Die Rundumüberwachung mit der Fußfessel suggeriere ein größeres Sicherheitsgefühl. "Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die GPS-Datenübermittlung in Echtzeit sehr fehleranfällig ist." Vor allem bei Sexualstraftätern sei die Überwachung problematisch, meinte die Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. (dpa/afp)