Athen. Opfert Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Finanzminister? Laut Gerüchten steht Yanis Varoufakis kurz vor dem Abschuss.

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis ist unter seinen Amtskollegen in der Eurogruppe völlig isoliert. Er wird zu einer Hypothek für sein Land. Varoufakis habe "jede Glaubwürdigkeit verloren", schrieb am Sonntag die Athener Zeitung "To Vima" und spekulierte über einen bevorstehenden Rausschmiss des Ministers. Doch Premier Alexis Tsipras hält an Varoufakis fest – noch.

Varoufakis informiert Tsipras in seiner Motorradkluft

Kaum war Yanis Varoufakis am Samstagnachmittag vom Treffen der EU-Finanzminister in Riga nach Athen zurückgekehrt, schwang er sich auf den Sattel seiner Yamaha. Er knatterte zur Villa Maximos, dem Amtssitz von Ministerpräsident Alexis Tsipras. In seiner schwarzen Biker-Montur, den Helm in der Hand, stieg Varoufakis die Stufen zum klassizistischen Säulenportal der Villa hinauf, um den Premier über die Ergebnisse der Sitzung zu informieren.

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Gutes konnte er nicht berichten. Die Erwartung der griechischen Regierung, man werde in Riga ?zu 100 Prozent eine Einigung erzielen?, wie Staatsminister Alekos Flambouraris noch wenige Tage zuvor ankündigte, hat sich nicht erfüllt. Den Amtskollegen in der Eurogruppe reichen die griechischen Reformvorschläge nicht, die genannten Zahlen sind zu vage. Das bedeutet: Griechenland muss weiter auf Hilfsgelder warten. Erst am Montag hatte sich die in Athen gehegte Hoffnung auf Milliardenkredite aus Russland zerschlagen – Gazprom-Chef Alexei Miller kam mit leeren Händen zum Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten. Am Tag vor der Eurogruppe war dann auch Tsipras? Versuch gescheitert, die Finanzminister zu umgehen und im direkten Gespräch mit Angela Merkel einen Kompromiss auszuhandeln.

In der EU wächst die Frustration mit der neuen griechischen Regierung. Sie verschleppt die Verhandlungen, obwohl dem Land das Wasser bis zum Hals steht. Den Ärger bekommt vor allem der schillernde Finanzminister Varoufakis zu spüren. Bei dem Treffen in Riga hätten Kollegen den Griechen als "Spieler", "Amateur" und "Zeitverschwender" kritisiert, berichten Teilnehmer. Einige Minister hätten während Varoufakis' Ausführungen mit den Augen gerollt oder sich demonstrativ die Ohren zugehalten, heißt es. Varoufakis selbst sprach von einer "intensiven Diskussion".

Konferenz zeigt "Zusammenbruch der Kommunikation mit Griechenland"

Der maltesische Finanzminister Edward Scicluna sagte, die Konferenz habe "den totalen Zusammenbruch der Kommunikation mit Griechenland" gezeigt. Wie schon so oft in den vergangenen drei Monaten, stand Varoufakis wieder allein gegen seine 18 Euro-Kollegen. Als sich die Minister am Freitagabend zum offiziellen Dinner versammelten, fehlte Varoufakis. Der Grieche hatte allein das Hotel verlassen, ohne Begleitung und mit unbekanntem Ziel.

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Irritationen gab es von Anfang an. Bei seinem ersten Auftritt in der Eurogruppe Anfang Februar habe der Wirtschaftsprofessor die Nerven seiner Kollegen mit einem langatmigen ökonomischen Vortrag strapaziert. "Seine Antrittsvorlesung" spottete ein Teilnehmer. Dass Varoufakis als einziger im Kreis seiner männlichen Kollegen ohne Krawatte auftritt, nehmen die anderen Minister gelassen. Aber Feinde macht sich der Grieche durch seine aggressiven Töne, vor allem in den zahllosen Interviews. So verglich er die Troika mit Folterknechten der CIA: Sein Land werde von den Europäern einem "fiskalischen Waterboarding" unterzogen.

Der 53-jährige Varoufakis lehrte als Wirtschaftsprofessor in Australien und den USA, arbeitete auch als Berater der Computerspiele-Firma Valve Corporation, bevor ihn Tsipras Ende Januar zum Finanzminister berief. Aber Mitarbeiter klagen, der Chef sei zu selten an seinem Schreibtisch, weil er ständig Interviews gebe oder auf Kongressen rede.

Varoufakis gilt als unbeherrscht und streitsüchtig

Überdies gilt Varoufakis als unbeherrscht und streitsüchtig. Der US-Ökonom James Galbraith, der Varoufakis als Gastdozent an die Universität von Austin in Texas holte, verteidigt seinen Freund: "Keiner hat in der Krise so hart gearbeitet wie Yanis", sagte er. Gemeinsam mit Galbraith hat Varoufakis ein Buch verfasst: "Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise". Kritiker sagen, das Wort "bescheiden" kennzeichne das Buch. Es enthalte keine originellen Ideen.

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Während Varoufakis in seiner Heimat anfangs als Polit-Star galt, sinkt sein Stern inzwischen. Mit einer Homestory in der französischen Illustrierten "Paris Match" erntete er im März Spott und Empörung. Die aufwendig inszenierte Fotoreportage zeigte Varoufakis eng umschlungen mit seiner Gattin Danae auf der Terrasse ihres Penthouse in einem der teuersten Athener Wohnviertel am Fuß der Akropolis. Andere Bilder zeigten den Minister im körpertonten schwarzen T-Shirt beim Klavierspiel. In einer anderen Szene prostet sich das Paar an einem opulent gedeckten Mittagstisch zu. "So sieht die humanitäre Krise aus, von der Varoufakis in der Eurogruppe immer erzählt", kommentierte ein Twitter-Nutzer.

Varoufakis' Popularitätsquote fiel von 72 auf 45 Prozent

Die Popularitätsquote des Finanzministers fiel inzwischen in den Umfragen von 72 auf 45,5 Prozent. Premier Tsipras dürfte längst gemerkt haben, dass der exzentrische Kassenwart zu einer Hypothek wird. Noch hält er an Varoufakis fest, denn eine Ablösung wäre ein gefundenes Fressen für die Opposition. Aber sofern und sobald die laufenden Verhandlungen abgeschlossen werden können, dürfte Varoufakis gehen - womöglich sogar auf eigenen Wunsch. Auf Twitter regierte er gestern wie üblich mit Spott auf Gerüchte um seinen Rücktritt und zitierte den ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt vom Jahr 1936, "sie sind alle (seine Gegner) einstimmig in ihrem Haß gegen mich und ich heisse ihren Haß willkommen".