Riga. Diplomatenkreise berichten Undiplomatisches: Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis wurde von Amtskollegen offenbar persönlich angegangen.

Gianis Varoufakis kommt in Riga an wie immer - ohne Krawatte und mit breitem Grinsen. Wortlos geht der sonst so kommunikative griechische Finanzminister an wartenden Journalisten vorbei.

Im Saal "Riga" der lettischen Nationalbibliothek geht es dann zur Sache. "Das war kein schöner Tag für Varoufakis", kommentiert ein EU-Diplomat trocken. Der Athener Kassenhüter muss sich geballte Kritik der Europartner anhören. "Wir sind uns alle im Klaren darüber, dass die Zeit abläuft", resümiert Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Die Verantwortung für die Hängepartie trage vor allem Athen.

"Es ging richtig zur Sache"

Die Euroländer werfen der Links-Rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras immer offener vor, die Verhandlungen über ein Reformpaket zu verschleppen - und damit die Stabilität des gemeinsamen Währungsraums zu gefährden.

Die Stimmung ist gereizt, sehr sogar. "Es ging richtig zur Sache", heißt es am Rande des Sitzungssaals. Der stolze Ökonom Varoufakis soll laut der Nachrichtenagentur Bloomberg sogar als "Spieler", "Amateur" und "Zeitverschwender" beschimpft worden sein. Diplomaten wollen diese Worte zunächst nicht bestätigen. "Das war eine sehr kritische Diskussion", formuliert aber der diplomatische Dijsselbloem.

"Ich bin schon einigermaßen genervt von der Sache", bilanziert auch der österreichische Ressortchef Hans Jörg Schelling. Denn es gebe immer wieder neue Fristen und Absichtserklärungen: "Wenn Varoufakis (...) in einem Interview sagt, man muss sich endlich zusammensetzen, dann frag' ich mich: Was haben wir im letzten halben Jahr gemacht?"

Verhandlungen kommen nur mühsam voran

Die Verhandlungen zwischen Experten aus Athen und den Geldgebern kommen zwar voran - aber nur mühsam. "Wir sind noch weit entfernt", meint EU-Währungskommissar Pierre Moscovici mit Blick auf die dringend benötigte Abmachung. Ohne sie können blockierte Hilfsmilliarden nicht in die leeren Athener Staatskassen fließen.

Das Rätselraten über die äußerst prekäre Finanzlage des pleitebedrohten Landes geht in Riga weiter. Die EU-Institutionen und der Internationale Währungsfonds (IWF) - einst Troika genannt - bekommen nur spärlich Zahlen. Schon bald müssen weitere Milliarden-Kredite zurückgezahlt werden.

"Die Liquidität ist zunehmend ein Problem für die griechische Regierung", betont der Niederländer Dijsselbloem. Der studierte Agrarökonom ist aber zuversichtlich und glaubt weiter an einen Deal.

Können die Gläubiger nicht bedient werden, ist das Mittelmeer-Land zahlungsunfähig. Doch das würde nicht unbedingt heißen, dass Griechenland die Eurozone verlassen muss. "Es gibt gar kein Ausscheiden aus dem Euro, sondern nur aus der EU", erklärt der Österreicher Schelling mit Blick auf das europäische Recht.

In der Eurogruppe wachsen die Zweifel, ob Varoufakis überhaupt noch ein Mandat hat - und ob die Athener Regierungskoalition aus dem vielströmigen Linksbündnis Syriza und den Rechtspopulisten noch an einem Strang zieht. Der Eindruck in Riga ist, dass die Lösung des Schuldendramas längst zur Chefsache geworden ist. (dpa)