Berlin. . Neue Enthüllungen zeigen: BND half der NSA beim Spionieren. Offenbar wurden auch Wirtschaftsgeheimnisse weitergegeben. BND-Chef Schindler gerät unter Beschuss.
Die neue Spionageaffäre beim Bundesnachrichtendienst (BND) erschüttert nicht nur die Politik. Während Rücktrittsforderungen an BND-Chef Gerhard Schindler laut werden, wächst in der Wirtschaft die Sorge, dass der US-Geheimdienst NSA mit BND-Hilfe deutsche Unternehmen ausspioniert hat.
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Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nannte die Enthüllungen gegenüber unserer Zeitung „beunruhigend“ und warnte vor einem „schweren Vertrauensbruch“. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), äußerte die Befürchtung, dass die USA deutsche Unternehmen auch mit Hilfe anderer europäischer Geheimdienste ausspioniert haben könnten.
BND schickte Erkenntnisse weiter
Kern der neuen Affäre sind Informationen, dass der BND der NSA geholfen hat, jahrelang Ziele auch in Europa auszuforschen. Dabei nutzten die Amerikaner eine Verabredung von 2002, nach der der BND von den USA gelieferte Suchmerkmale – Telefonnummern, Namen, Computeradressen – in sein Überwachungssystem einspeist und die Daten dann den Amerikanern zur Verfügung stellt.
Ursprünglich ging es bei den Datenlieferungen aus der BND-Abhörstation Bad Aibling um Terrorbekämpfung. Doch offenbar nutzte die NSA den Zugang auch zur Wirtschaftsspionage, indem sie den BND mit tausenden von Suchmerkmalen – sogenannten Selektoren – überschwemmte. So kamen die USA an Informationen etwa über europäische Unternehmen und Politiker, über die Rüstungskonzerne EADS oder Eurocopter.
Verdacht der Wirtschaftsspionage
Der BND hat seit 2008 Hinweise auf den Missbrauch der Kooperation. Mitarbeiter sortierten im Lauf der Jahre über 40 000 Suchkriterien aus – und fanden trotzdem 2013 bei einer größeren Überprüfung 2000 weitere kritische Selektoren. Aber erst vor einem Monat erfuhr BND-Chef Schindler nach eigenen Angaben von den Vorgängen – und informierte das Kanzleramt.
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Schindler steht jetzt massiv unter Druck. Die Linkspartei fordert seinen Rücktritt, in der Koalition wird seine Ablösung offenbar nicht mehr ausgeschlossen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich „entsetzt über das Ausmaß der Desorganisation“. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte die Frage, ob Schindler im Amt bleibe, nicht beantworten.
NSA-Ausschuss prüft die Vorwürfe
Sensburg sagte aber: „Der Ruf nach personellen Konsequenzen ist verfrüht.“ Wichtig sei zunächst, dass der Ausschuss „die Listen einsehen kann, um welche Selektoren es sich handelt.“ Sensburg versprach, der Ausschuss bemühe sich um schnelle Aufklärung. In welchem Umfang deutsche Firmen betroffen sind, sei unklar, auch der Industrieverband BDI hat darüber keine Erkenntnisse.
Es bestätige sich jetzt aber, dass Wirtschaftsspionage der wesentliche Teil des NSA-Skandals sei, so Sensburg. Es müsse geklärt werden, ob die USA auch andere europäische Geheimdienste aufgefordert hätten, bei ihren Überwachungen nach deutschen Daten zu suchen.
Der BDI erklärte, die Berichte seien beunruhigend, notwendig sei eine zügige Aufklärung: „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre das ein schwerer Vertrauensbruch“.