Washington. . In den USA hat es wieder einen tödlichen Polizeiübergriff auf einen Schwarzen gegeben. Aber diesmal beweist ein Video: Es war heimtückischer Mord.

Ein leicht verwackeltes Handy-Video dreht Amerika den Magen um. Es zeigt wie der 50-jährige Walter L. Scott nach einer Kontrolle wegen eines kaputten Rücklichts an seinem Mercedes-Benz in North Charleston im US-Bundesstaat South Carolina am Ostersamstag mit dem Streifen-Polizisten Michael Slager in einen Disput gerät und flieht.

Getroffen von acht Kugeln – ohne Vorwarnung

Wenige Minuten später liegt der Afro-Amerikaner sterbend im Gras. Getroffen von acht Polizeikugeln. Ohne Vorwarnung. Von hinten. Slager, ein 33-jähriger, weißer Cop, knallte sein Opfer ab wie einen tollwütigen Hund. Dafür droht ihm nun möglicherweise die Todesstrafe.

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Von Dirk Hautkapp

Slager rechtfertigte sein von Rechtsexperten auf allen maßgeblichen US-Fernsehkanälen gestern als „skandalös“ bis „verbrecherisch“ bezeichnetes Handeln gegenüber Kollegen mit Notwehr. Walter Scott habe ihm den Taser, ein Elektroschockgerät, das widerspenstige Verdächtige außer Gefecht setzt, entrissen und ihn damit bedroht. „Ich habe um mein Leben gefürchtet“, zitiert die Polizei den seit fünf Jahren in North Charleston tätigen Beamten. Allein, das von einem Unbekannten aus unmittelbarer Nähe aufgenommene Video widerlegt Slager auf der ganzen Linie.

Erste Hilfe? Fehlanzeige

Weder war Scott bewaffnet noch aggressiv. Er schlägt dem Beamten den Taser aus der Hand. Und läuft davon. Als er sechs, sieben Meter entfernt ist, fallen in kurzen Abständen die Schüsse. Scott bricht zusammen. Danach schreit der Beamte den schwer verletzten Vater von vier Kindern an, seine Hände auf den Rücken zu nehmen. Slager legt ihm Handschellen an und wartet auf Verstärkung. Erste Hilfe? Fehlanzeige.

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Mehr noch. „Um später seine Schüsse begründen zu können“, wie ein ehemaliger Richter auf CNN sagte, legt Slager nach Erkenntnissen des Lokalblatts „The Post and Courier“ den Elektroschocker in der Nähe des tödlich Getroffenen ab und versucht, den Tatort zu manipulieren.

Als das Beweisvideo nach Ostern bei der „New York Times“ landet, korrigiert die Polizei in der 100.000 Einwohner zählenden Stadt, die Hälfte davon Schwarze, ihre Darstellung radikal. Slager wird am Dienstag festgenommen, dem Haftrichter vorgeführt und des Mordes angeklagt. Bürgermeister Keith Summey griff den Ordnungshüter öffentlich an. Slager habe eine „falsche Entscheidung“ getroffen. „Er muss mit den Konsequenzen leben.“ Die Macht der Bilder lässt keinen Raum für Unschuldsvermutungen. Nicht mal bei Polizeichef Eddie Driggers, der mit den Tränen kämpft.

"Sehr vermeidbares" Unglück

Bürgerrechts-Verbände reagierten schockiert über die Diskrepanz zwischen Video und der ersten Darstellung der Polizei. „Fälle, in denen es keine Aufnahmen und Zeugen gab, erscheinen nun in einem ganz anderen Licht“, sagte ACLU-Sprecherin Victoria Middleton. Anthony Scott, einer der Brüder des Opfers, nannte den unbekannten Filmer, der aus Angst vor Rache untergetaucht ist, einen „Helden“, ohne den die Wahrheit „wahrscheinlich nie ans Licht gekommen wäre“.

Selbst einflussreiche Republikaner, die in vergleichbaren Fällen der Polizei konstant den Rücken stärkten, sind empört. South Carolinas Gouverneurin Nikki Haley nannte den Einsatz „nicht akzeptabel“. Tim Scott, in Washington der einzige schwarze Senator aus einem Südstaat, sprach von einem „sehr vermeidbaren“ Unglück. Walter Scott, so sagt es sein Vater, floh vor Slager, weil er mit ausstehenden Unterhaltszahlungen für seine Kinder kämpfte. „Dafür landet man hier im Knast. Walter wollte nicht wieder ins Gefängnis.“

Keine Ausschreitungen

Dass die lokale Behörden der Bundespolizei FBI und dem Justizministerium in Washington zuvorgekommen sind und Officer Slager schnell verhafteten, hat nach Einschätzung von Kriminal-Experten bisher dämpfend gewirkt. Ausschreitungen, wie es sie in Ferguson/Missouri gab, nachdem der unbewaffnete Teenager Michael Brown (18) von einem weißen Polizisten erschossen worden war und der Beamte nicht einmal angeklagt wurde, werden aus South Carolina nicht gemeldet.

Für Jesse Jackson, Bürgerrechtler, Ex-Präsidentschaftskandidat und Weggefährte Martin Luthers King, ist dass Maß trotzdem voll. Er fordert ein Ende der „Terror-Welle gegen Schwarze in diesem Land“. Die Strafe für eine Verkehrswidrigkeit dürfe niemals der Tod sein. „Polizisten haben einen Eid geschworen, zu dienen und zu beschützen. Sie sind auf der Straße nicht Richter und Geschworene.“