Brüssel. Belgien geht hart gegen einheimische Dschihadisten vor. Im bislang größten Prozess wurden die Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Die belgische Justiz geht mit harten Strafen gegen einheimische Dschihadisten vor. Im bislang größten einschlägigen Prozess wurden die Haupt-Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten nach Ansicht des Antwerpener Gerichts als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung namens Sharia4Belgium Nachwuchs für den Krieg in Syrien rekrutiert. Konkrete Anschläge wurden ihnen nicht nachgewiesen.
Der Gründer und Anführer der von Flandern aus operierenden salafistischen Truppe, der 32-jährige Fouad Belkacem, wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte die Höchststrafe von 15 Jahren gefordert. Unter Belkacems Anleitung hatte Sharia4Belgium rund 30 Personen für den islamistischen Gotteskrieg angeworben und zu Al-Kaida-Ablegern in den Nahen Osten geschickt.
Anführer wollte das Atomium in Brüssel sprengen
In Belgien wollte der Sohn marokkanischer Einwanderer nach den Feststellungen der Ermittler ein Kalifat errichten und das Atomium in Brüssel sprengen. Seine Verteidiger hatten ihren Mandaten hingegen als Aktionskünstler nach Art der russischen Punk-Truppe Pussy Riot dargestellt. Er selbst hatte am letzten Prozesstag erklärt: „Ich bin ein orthodoxer Moslem, nicht mehr und nicht weniger.“
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Die Verkündung des Urteils war nach den Anschlägen von Paris und den anschließenden Groß-Razzien gegen Dschihadisten in Brüssel und Verviers verschoben worden. Von insgesamt 46 Angeklagten nahmen nur acht die Entscheidung des Gerichts persönlich entgegen. Rund 30 sollen sich noch in Syrien aufhalten, die übrigen sind vermutlich im dortigen Bürgerkrieg getötet worden. Auch einige der im Gerichtsaal Anwesenden haben ihren Feldzug mit Verletzungen und Verstümmelungen bezahlt. Einer hat einen Fuß verloren, ein anderen hat noch immer Granatsplitter im Kopf.
Europas größter Lieferant von Nachwuchs-Dschihadisten
Der Mitangeklagte und wichtigste Informant der Staatsanwaltschaft, der 20-jährige Jejoen Bontinck, kam mit 40 Monaten Haft auf Bewährung davon. Er war auch in die syrische Kampfzone gereist, dort aber nach eigenen Angaben von Scharia-Milizionären als angeblicher Spion enttarnt und gefoltert worden. Deswegen trat er in dem Antwerpener Verfahren zugleich als ziviler Nebenkläger auf.
In Belgien leben rund 700.000 Muslime. Nach einer neuen Studie des Migrationsforschers Ruud Koopmans vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ist die Hälfte fundamentalistisch orientiert, schwulenfeindlich und misstrauisch gegenüber Juden – mehr als in anderen EU-Ländern. Nach Schätzungen der belgischen Behörden sind bislang 300 bis 400 junge Männer als Gotteskrieger in den Nahen Osten gezogen. Damit wäre das Königreich gemessen an der Bevölkerungszahl – knapp elf Millionen – Europas größter Lieferant von Nachwuchs-Dschihadisten.