Brüssel. . Belgische Behörden werten die Zerschlagung der Terror-Zelle als Erfolg. Doch das Land fürchtet, zur Operationsbasis islamistischer Kämpfer zu werden.
Am Tag nach dem Groß-Einsatz gegen mutmaßliche Islamisten in mehreren Städten mochte die Staatsanwaltschaft in Brüssel über die Hintergründe nicht viel preisgeben.
Nur so viel: Die Gruppe „war im Begriff, terroristische Attentate zu begehen und insbesondere Polizisten im öffentlichen Raum und in mehreren Wachen zu töten“. Im ostbelgischen Verviers hielten die Verschwörer ein beachtliches Waffen-Arsenal versteckt: vier Kalaschnikows, Handfeuerwaffen, Munition und Sprengstoff.
Außerdem stellten die Fahnder gefälschte Papiere, Mobil-Telefone, Funkgeräte sowie Polizei-Uniformen sicher – offenbar wollten sich die Attentäter verkleidet Zutritt zu Polizeistationen verschaffen.
Bei dem Feuergefecht in Verviers kamen zwei Verdächtige ums Leben, einer wurde verletzt. Insgesamt wurden 15 Personen festgenommen. Wie viele Mitglieder der Zelle zuvor in Syrien waren und dort womöglich ein Kampf-Training absolviert hatten, wollten die Ermittler nicht sagen.
Das Schlimmste verhindert
Premierminister Charles Michel lobte seine Sicherheitskräfte und bekräftigte „die Entschlossenheit der belgischen Regierung, alle zu bekämpfen, die Terror verbreiten wollen. Die Angst muss die Seiten wechseln!“ Davon kann indes keine Rede sein. Auch wenn diese Zelle zerschlagen ist und das Schlimmste verhindert wurde – die Groß-Razzia hat keineswegs zur allgemeinen Beruhigung der Gemüter beigetragen. „Auf unserem gesamten Staatsgebiet müssen wir mit der Möglichkeit rechnen, dass jederzeit Fanatiker zur Tat schreiten“, warnte die Zeitung Le Soir im Leitartikel. Und das sind keine abstrakten Befürchtungen.
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Denn: Nach offiziellen Zahlen sind derzeit mehr als 180 junge Belgier in den Kampfzonen in Syrien und im Irak unterwegs. Rund 100 seien in die Heimat zurückgekehrt, Gewalt-Erfahrung, militärische Technik und verquere Vorstellungen von islamistischem Heldentum im Gepäck.
Größtes Anti-Terror-Verfahren
Was daraus werden kann, ist derzeit im bislang größten Antiterror-Verfahren des Landes zu besichtigen: In Antwerpen stehen neun mutmaßliche Angehörige einer Salafisten-Truppe namens „Sharia4Belgium“ vor Gericht. Drei Dutzend mitangeklagte Mittäter sollen noch in Syrien sein. Experten gehen davon aus, dass im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung kein Land mehr freiwillige Allah-Rekruten in den Nahen Osten schickt als das kleine Belgien.
So sind allein aus dem Brüsseler Vorort Vilvoorde 28 Jugendliche aufgebrochen, um im Ausland zu kämpfen. Bürgermeister Hans Bonte ist besorgt: „Es herrscht große Unruhe in den betroffenen Familien und in der Bevölkerung insgesamt.“ Besonders unter der jüdischen Bevölkerung geht die Angst um. Mehdi Nemmouche, der im Mai letzten Jahres im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen erschoss, ist ebenfalls Syrien-Rückkehrer. Am Tag nach der Operation blieben die jüdischen Schulen in Brüssel und Antwerpen vorsorglich geschlossen. Auch im niederländischen Amsterdam wurde eine jüdische Schule geschlossen.
Polizisten fürchten um Sicherheit
In ganz Belgien gilt für die Sicherheitskräfte die zweithöchste Alarmstufe: Viele Polizeiwachen wurden nicht besetzt, die Beamten gehen nur mehr paarweise auf Streife. In Antwerpen bekamen sie die Genehmigung, ihre Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen. „Die Polizisten sind beunruhigt über ihre persönliche Sicherheit“, sagt der Chef der Polizei-Gewerkschaft SLFP, Vincent Gilles.
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Ab sofort kann auch das Militär eingesetzt werden, um an neuralgischen Punkten für Sicherheit zu sorgen – eine von zwölf Maßnahmen, mit denen die Regierung Michel die Abwehrbereitschaft stärken will. Nachwuchs-Dschihadisten riskieren auch im Königreich Belgien künftig den Verlust des Personalausweises oder gar der Staatsbürgerschaft. Derzeit gebe es keine konkrete Bedrohung, versicherte Ministerpräsident Michel. Und ermahnte seine Landsleute: „Keine Psychose, keine Panik!“
Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Belgien