Düsseldorf. . Fraktionschef Reiner Priggen scheint sich mit Abschiedsgedanken aus der Politik zu tragen. Für die Koalition in NRW wäre das ein herber Verlust.

Als Reiner Priggen am Mittwoch seinen 62. Geburtstag zu Hause in Aachen feierte, gingen bei dem Landtagsfraktionschef der Grünen nicht nur Gratulations­adressen ein. Mancher Anrufer sorgte sich auch um die berufliche Zukunft des Jubilars.

Denn es scheint nicht mehr gewiss, dass Priggen sich am 3. März noch einmal zur turnusmäßigen Wiederwahl stellt. Die rot-grüne Regierungskoalition verlöre zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl einen zentralen Stabilitätsanker.

Priggen hatte bereits im vergangenen Jahr überraschend erklärt, dass seine Landtagskarriere 2017 enden soll. Der Diplom-Ingenieur würde dann 17 Jahre dem Parlament angehören. Als Grünen-Landeschef hatte er bereits 1995 die erste Koalition mit der SPD in NRW geschmiedet – mit dem damals eher widerwilligen SPD­-Patriarchen Johannes Rau. Nun gibt es Anzeichen, dass Priggen schon in wenigen Wochen als Fraktionschef abtreten könnte.

Freunde beim politischen Gegner

Sein Umfeld bezeichnete das Szenario eines vorzeitigen Rückzugs am Mittwoch zwar als „Quatsch“. Doch die sehr einfache Frage, ob er in vier Wochen noch einmal antrete, ließ Priggen unbeantwortet. Offenbar ringt da einer noch mit sich.

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Priggen ist in der rot-grünen Koalition nicht irgendwer. Selbst Grünen-Fresser schätzen seinen energiepolitischen Sachverstand. Er ist taktisch versiert, denkt die Dinge „vom Ende her“, wie es im Polit-Sprech gerne heißt. Wo andere eifern, moderiert er. Priggen wird dem Realoflügel seiner Partei zugerechnet, doch eigentlich pflegt er eine Unabhängigkeit, die ihm auch beim politischen Gegner viele Freunde eingebracht hat.

Als die Landtags-Grünen sich zu Wochenbeginn in einem Essener Messehotel zur Klausurtagung trafen, sei Priggen keinerlei Amtsmüdigkeit anzumerken gewesen, berichten Teilnehmer. Doch seit dem vergangenen Jahr scheint er sich mit Abschiedsgedanken zu tragen.

Ein politisches Paar

Er ist mit der Grünen-Politikerin Gisela Nacken verheiratet, die in den 90er-Jahren selbst mal Fraktionschefin im Landtag war. Sie haben zwei erwachsene Kinder. Im Herbst musste Nacken nach 16 Jahren als Dezernentin in Aachen ihr Büro räumen, weil eine neue Mehrheit aus CDU und SPD sie nicht mehr wollte.

Ein herber Einschnitt für das politische Paar Priggen/Nacken, das Sonntagnachmittage zufrieden beim gemeinsamen Wahlplakate-Kleben verbringen konnte. Zuletzt sah man Gisela Nacken als Zuschauerin auf der Landtagstribüne, als ihr Mann unten im Plenarsaal redete. Ob dies auf Dauer ein Lebensmodell für beide ist, bezweifeln Parteifreunde inzwischen.

Schneckenburger nach Dortmund

Der Rückzug in die Hinterbank schon im März böte den Grünen die Chance, frühzeitig die Personalien Richtung 2017 zu ordnen. Ex-Landeschefin Monika Düker (51) gilt als mögliche Nachfolgerin, die sofort übernehmen könnte. Zudem müsste der Fraktionsvorstand erneuert werden, weil Wirtschaftsexpertin Daniela Schneckenburger als Schuldezernentin nach Dortmund wechseln will.

Allerdings würde Priggen als rot-grüner Stabilisator fehlen. Mit SPD-Fraktionschef Norbert Römer, einem erfahrenen Gewerkschaftshaudegen, versteht er sich überraschend gut. Mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft arbeitet Priggen selbst auf Konfliktfeldern geräuschlos zusammen.

Wenn es bei den Grünen gärt, sorgt der Fraktionschef dafür, dass Kritik intern bleibt. Die jüngste „Digitaloffensive“ der Ministerpräsidentin etwa wird von vielen Abgeordneten als „aus der Hüfte geschossen“ bespöttelt. Über die Idee, wegen der Haushaltssperre Regierungsgästen nur Leitungswasser auszuschenken, schüttelten die meisten nur den Kopf. Doch Priggen warnt unermüdlich davor, im rot-grünen Band der Harmonie selbst kleinste Webfehler zuzulassen. Zu präsent ist seine Erinnerung an die rot-grünen Streitkoalitionen unter Wolfgang Clement und Peer Steinbrück.