Athen. Offener Kragen ohne Schlips, Hemd über der Hose, Hand in der Tasche – die frisch gewählten Herrscher von Athen kommen betont locker daher. Die neue Lässigkeit kann Europa nur gut tun.

Solch einen Besucher kann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch nicht jeden Tag empfangen. Wenn an diesem Donnerstag der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in Berlin seine Aufwartung macht, dürfte der Gast zumindest dem offiziellen Fototermin eine ganz besondere Note verleihen: Der 53-jährige Varoufakis verschmäht, genauso wie sein Regierungschef Alexis Tsipras, Krawatten, lässt das Hemd gern mal über den Gürtel hängen und gefällt sich mit einem leicht arroganten Lächeln in der Pose eines Türstehers. So tourt der griechische Bruce-Willis-Verschnitt seit dem Wahlsieg der Linken durch die Hauptstädte Europas und wirbelt nicht nur die politische Kleiderordnung durcheinander.

Vor seiner Berlin-Visite machte Varoufakis seinem Halbstarken-Image große Ehre. „Ich glaube, dass die EU davon profitieren würde, wenn Deutschland sich als Hegemon verstünde", stichelte er in einem Interview mit der Zeit. Die USA hätten nach dem Zweiten Weltkrieg auch in diesem Sinne Verantwortung übernommen. Und: „Ich stelle mir einen Merkel-Plan vor, nach dem Vorbild des Marshall-Plans. Deutschland würde seine Kraft nutzen, um Europa zu vereinigen. Das wäre ein wundervolles Vermächtnis der deutschen Bundeskanzlerin." Man darf das wohl als Ironie verstehen.

Griechen wollen sich weder als Bettler noch als Bittsteller darstellen

Ob Varoufakis heute ausgerechnet Wolfgang Schäuble, den Herrn der Schwarzen Null, mit seiner Forderung beeindrucken kann, dass Athen dringend einen Schuldennachlass braucht, darf man wohl bezweifeln. Aber daran glaubt wohl auch der Mann aus Athen nicht – ihm geht es um etwas ganz anderes. Sein Auftreten soll sagen: Wir Griechen sind weder Bettler noch Bittsteller, wir gehören zu Europa und sind nicht die Outlaws der Eurozone. Daheim, bei seinen von fünf harten Jahren unter Spardruck ausgelaugten Wählern, wird das bestens ankommen.

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Dass Europas Mächtige die Nase rümpfen über die Halbstarken vom Peloponnes und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sich sogar darüber mokiert, dass ihn Premier Tsipras ohne Schlips empfängt – die Griechen werden es verschmerzen. Deutsche Sozialdemokraten sind nun mal so. Zumal es nicht das erste Mal ist, dass sich Europa über das Auftreten Athener Politiker das Maul zerreißen. Es war im Sommer des Jahres 2009, in der griechischen Hauptstadt regierte ein Premier namens Giorgos Papandreou. In perfekt sitzendem Anzug, mit tadelloser Krawatte und vor dem Panorama des blau leuchtenden Mittelmeers überbrachte Papandreou per TV den Griechen die wenig frohe Botschaft einschneidender Sparmaßnahmen. Und manchmal lächelte Herr Papandreou dabei sogar ein wenig.

Das Leben ist schon schwer genug

Was das denn solle, raunten Experten und Kommentatoren und lupften besorgt die Augenbauen. Da fehle doch der nötige Nachdruck. Und dann dieser blaue Himmel! Also, wirklich.

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Zu einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede gehöre das passende Ambiente. Man kann es aber auch anders sehen: Das Leben ist schon schwer genug, muss man dann auch noch demonstrativ griesgrämig dreinschauen?

Man merkt: Ob mit Maßanzug oder im Schlabber-Look – die Griechen können es uns offenbar nicht rechtmachen. Wie wäre es, wenn Wolfgang Schäuble seinen griechischen Amtskollegen im Freizeitdress empfangen würde? Die Stimmung wäre doch gleich ganz anders und bei einem Gläschen Ouzo könnte er Varoufakis von den Vorzügen einer ausgeglichenen Bilanz berichten. Was mag Schwarze Null auf Griechisch heißen?