Athen. . Alexis Tsipras ist mit seiner radikalen Linken der Wahlsieger in Griechenland. Nun wird sich zeigen, ob er seine vollmundigen Versprechen umsetzen kann.

Alexis Tsipras hat geschafft, was viele Griechen wünschten – und viele in Europa fürchteten. Sein Bündnis der radikalen Linken (Syriza) fuhr bei der Wahl am Sonntagabend einen klaren Sieg ein – wenn auch anfangs noch offen war, ob es sogar für eine absolute Mehrheit im nächsten Parlament reicht oder ob Syriza eine Koalition bilden muss.

Tsipras polarisiert. Seine Anhänger verehren ihn als Hoffnungsträger – nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen Krisenländern wie Italien und Spanien. In Tsipras‘ Windschatten hofft die spanische Podemos-Bewegung auf Stimmengewinne bei den Wahlen im Herbst. Kritiker sehen in Tsipras dagegen einen hemmungslosen Populisten, einen „Euro-Schreck“ oder gar den „gefährlichsten Politiker Europas“.

Erwartungen, die er kaum erfüllen kann

Tsipras als Regierungschef der Hellenischen Republik beim nächsten EU-Gipfel: Das wird der vorläufige Karriere-Höhepunkt des politischen Senkrechtstarters. Als 16-Jähriger schloss sich der Gymnasiast Tsipras der Jugendorganisation der stalinistischen Kommunistischen Partei Griechenlands an und organisierte Schulbesetzungen gegen die Bildungspolitik der damaligen konservativen Regierung. Als Tsipras 2008 den Vorsitz bei Syriza übernahm, rangierte die Partei bei gerade fünf Prozent. Demgegenüber hat sich ihr Stimmenanteil jetzt mehr als versechsfacht.

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Entsprechend hoch ist nun aber auch die Fallhöhe für den politischen Aufsteiger. Tsipras selbst hat im Wahlkampf Erwartungen geweckt, die er kaum erfüllen kann. Enttäuschungen sind programmiert, nicht nur bei den Syriza-Wählern sondern auch innerhalb der Partei. Das könnte die Partei einer Zerreißprobe aussetzen.

Redegewandt, jugendlich und charmant

Der gewiefte Demagoge Tsipras ist wandlungsfähig. Er hat die Öffnung zur politischen Mitte längst eingeleitet. Mit Besuchen bei den Mönchen auf dem Heiligen Berg Athos und einer Visite bei Papst Franziskus im Vatikan versuchte er, das Image des Bürgerschrecks abzustreifen. Als sein engster Vertrauter gilt sein Stabschef Nikos Pappas (39). Die beiden sind seit 1995 befreundet. 2008 holte Tsipras seinen Freund, der damals bereits elf Jahre in Schottland lebte, als Leiter seines Büros nach Athen zurück. Inzwischen gilt Pappas als das politische Alter Ego des Syriza-Chefs. Der ruhende Pol in Tsipras‘ Leben ist seine Jugendliebe Peristera Baziana, mit der er zusammenlebt und zwei Söhne hat. Seine Familie hält Tsipras konsequent aus der Öffentlichkeit heraus.

Der 40-Jährige ist redegewandt, wirkt jugendlich und kommt charmant rüber. Er genießt bei seinen Kundgebungen das Bad in der Menge, schüttelt Hände, teilt Umarmungen und Küsschen aus. Im Wahlkampf sah man ihn meist mit seinem gewinnenden Lächeln, zunehmend aber auch in nachdenklicher, fast staatsmännischer Pose.

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Tsipras hat allerdings auch seine Marotten. Dazu gehören Reflexe aus antiautoritären Tagen als Kader der stalinistischen Kommunistischen Partei, wie die revolutionär geballte Faust und der Dresscode: Der griechische Ministerpräsident in spe trägt prinzipiell keine Krawatte. Zum Staatsbankett für Bundespräsident Joachim Gauck im März 2014 erschien Tsipras ebenso im offenen Hemd wie zur Audienz bei Papst Franziskus in Rom im vergangenen September.

„Poker mit Leben der Menschen“

Angela Merkel, die er im Wahlkampf beschuldigte, sie habe in Griechenland eine „humanitäre Katastrophe“ angerichtet und spiele „Poker mit dem Leben der Menschen“, ist er noch nicht begegnet. Im Europäischen Rat wird Tsipras, wie es die alphabetische Sitzordnung bestimmt, neben der deutschen Kanzlerin Platz nehmen – ohne Krawatte: „Für den Papst habe ich keinen Schlips angezogen, warum sollte ich es für Merkel tun?“, erklärte Tsipras jetzt trotzig im TV-Sender „Skai“.

Vielleicht wird man Alexis Tsipras aber doch noch mit Schlips sehen: Wenn er den geforderten Schuldenschnitt für sein Land erreiche, werde er sogar eine Krawatte anziehen, scherzte Tsipras am Tag vor der Wahl im Gespräch mit Journalisten..