München. Selbst ein 67-jähriges Opfer des Nagelbombenanschlags musste DNA-Proben abgeben. Geschehnisse in Kölner Keupstraße in München vor Gericht Thema.

Mindestens 22 Menschen wurden beim Nagelbomben-Anschlag in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004 verletzt. Vier der Opfer schwebten in Lebensgefahr. Das Oberlandesgericht in München versucht derzeit im NSU-Prozess die Anklagevorwürfe zu diesem Attentat aufzuklären. Seit Dienstag sagen vor dem Staatsschutzsenat die Opfer des Anschlags aus, berichten über ihre teils traumatischen Erlebnisse und bleibende gesundheitliche Beschwerden durch ihre damals erlittenen Verletzungen.

Eine 47-jährige Frau schildert in dem wieder voll besetzten Gerichtssaal, wie sie die Explosion als lauten Knall erlebte. Sie habe an der Tür des Geschäfts ihres Bruders gestanden. Der Laden für Einladungskarten lag ganz in der Nähe des Explosionsortes. Scheiben und Vitrinen im Geschäft wurden zerstört. Die Frau türkischer Abstammung beschreibt aber auch, wie sie einem Mann, der auf der Straße lag, mit Wasser die brennenden Beine gelöscht habe. Sie vermutete anfangs wie viele der Betroffenen eine Gasexplosion.

Mit der Aufdeckung des NSU kamen psychische Probleme zurück

Die Frau hatte damals der Polizei auch erzählt, dass sie bei der Explosion ein Fahrrad gesehen habe, dass durch die Luft geflogen sei. An diese Aussage konnten sie sich aber nicht mehr erinnern, nur daran, dass ein schwarzer Gegenstand vor die Tür des Ladens geflogen sei. Die 47-Jährige erzählte dem Gericht auch, dass sie noch immer in psychischer Behandlung sei. 2011, mit dem Entdecken des NSU, hätten sich die Beschwerden wieder verschlimmert.

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Einen „schwarzen Gegenstand“, der bei der Explosion nach oben gelogen sei, beschreibt auch ein heute 78 Jahre alter Zeuge. Der rüstig wirkende Rentner war zum Zeitpunkt der Explosion mit dem Fahrrad in der Keupstraße unterwegs gewesen. Auch er beschreibt den lauten Knall. Dem sei ein „Prasseln und blechernes Scheppern“ gefolgt, das offen sichtlich von einschlagenden Nägeln verursacht wurde. Der Zeuge hatte damals Glück und wurde nur leicht am Kopf verletzt.

Sprengsatz mit mindestens 700 Zimmermannsnägeln

Auch ihm war das Fahrrad vor dem Friseurladen in der Keupstraße nicht aufgefallen. Die Anklage geht davon aus, dass auf diesem Fahrrad in einer schwarzen Box auf dem Gepäckträger der Sprengsatz und mindestens 700 Zimmermannsnägeln versteckt gewesen waren. Die Bombe soll per Funkfernsteuerung gezündet worden sein. Als Täter gelten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die mit Beate Zschäpe die mutmaßliche Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ gebildet haben sollen.

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Ein heute 29-jähriger Zeuge beschreibt dem Gericht die Zerstörung nach der Explosion „wie im Krieg“. Der Mann hatte im Friseurladen gewartet, weil er sich die Haare schneiden lassen wollte. Auch sein erster Gedanke war eine Gasexplosion. Auf Nachfrage erzählt er dem Gericht, dass die Polizei von ihm damals im Verhör vor allem wissen wollte, ob er das Rotlichtmilieu kenne oder etwas über die Kriminalität in der Keupstraße oder die kurdische Arbeiterpartei (PKK) erzählen könne.

Polizei nahm DNA-Proben der Opfer

Wie vom damals 67-Jährigen wurde damals auch von dem 18-Jährigen eine DNA-Probe bei der Polizei genommen. Wofür, das haben beide nie erfahren. Der Kölner Polizei war es nie gelungen, den Anschlag aufzuklären. Erst mit dem Bekanntwerden des NSU ergab sich eine Spur zu den möglichen Tätern.