München. Im NSU-Prozess redeten Opfer des Nagelbomben-Anschlags auf der Kölner Keupstraße erstmals über ihr Leiden. Hier protokollieren wir ihre Aussagen.

Der erste Zeuge Gerd H. aus Bergisch-Gladbach, 78, Rentner:

“Es war ein herrlicher Sonnentag und ich fuhr mit meinem Fahrrad durch den Kölner Stadtteil Mülheim. Ich fuhr dann durch die Keupstraße, wie ich gestehen muss, entgegengesetzt in die Einbahnstraße. Ich sah Leute, die auf Stühlen vor den Geschäften saßen, die Sonne schien ja sehr schön. Auf Höhe des Friseursalons sah ich links eine Eisfahne, kurze Zeit später, auf Höhe des nächsten Gebäudes gab es von hinten einen Knall, den ich nie vergessen werde, es rasselte an allen Ecken. Ich bekam Angst, ich dachte, mein Trommelfell sei geplatzt. Ich habe dann fluchtartig den Ort verlassen, Richtung Schanzenstraße, bin abgestiegen und hatte nur mit dem Schmerz in meinem Kopf zu tun. Die Menschen kamen aus den Restaurants gestürmt und waren alle sehr aufgeregt. Ich hatte nur mit mir selbst zu tun und mit dem unglaublichen Schmerz… Ich wurde dann im Krankenhaus medizinisch versorgt. Meine Frau hat mich später abgeholt. Ich musste mich erst einmal hinlegen. Der Schmerz, die Angst, die Sorge, was passiert war.

Bis heute habe ich mit meinen körperlichen Problemen zu tun. Ich habe einen Tinnitus, eine rechtsseitige Gehörschädigung bis heute. Es ist ein ständiges Rauschen im Kopf. Es ist eine starke Belastung, ständig durch die Medien mit diesen Dingen konfrontiert zu werden. Eine psychologische Behandlung an der Kölner Universität habe ich nach wenigen Wochen abgebrochen. Ich dachte, ich muss damit selbst fertigwerden. Man muss auch sehen, als Demokrat, als Bürger eine Lösung zu finden. Man steht auf Augenhöhe mit den Bürgern, die geschädigt wurden.”

Zweiter Zeuge: Metin I. aus Bergisch-Gladbach, 58 Jahre, Juwelier, Keupstraße 48

“Damals war auch gutes Wetter, ich sitze meist vor meinem Geschäft auf einem Klappstuhl und warte auf Kunden. Wenn ich keine Kunden habe, gehe ich wieder vor die Tür und sitze da und gucke. Da kamen zwei Bekannte, zwei Kollegen, ein Cafe-Besitzer. Die hatten mich gerade begrüßt, da gab es den Knall. Wir haben uns alle drei auf den Boden geschmissen und wir wussten nicht, was los ist. Ich sagte, ich glaube, da ist eine Gasflasche explodiert. Leute liefen rum, und man sah Blut. Jede Menge Nägel. Dann wurden wir zum Krankenhaus gefahren und behandelt. Weil ich ja auch die drei Nägel im Körper hatte. In der Schulter und im rechten Bein. Mein Geschäft ist schräg gegenüber von dem Friseurladen in der Keupstraße (Anmerkung: der vor dem die Bombe explodierte). Ich bekam eine Tetanus-Spritze, die Wunde wurde gesäubert, mussten nicht genäht werden. Dann wurde ich nach Hause geschickt. Ich bin seitdem auf meinem rechten Ohr schwerhörig. Das habe ich erst später gemerkt. Ich müsste ein Gerät tragen, aber das will ich nicht. Ich dachte, das geht weg, aber die Beschwerden sind immer schlimmer geworden. Aufgefallen ist ihm nichts. Fahrräder fahren dort sehr wenig. Vielleicht hatte ich gerade einen Kunden, als das Fahrrad vorbei gefahren wurde (Anmerkung: die NSU-Terroristen Böhnhardt und Mundlos hatten kurz zuvor das Fahrrad vorbeigeschoben)”.

Richter Manfred Götzl fragt, wie sich dieses Erlebnis für ihn psychisch ausgewirkt hat.

“Natürlich, wenn ich daran denke, ist es schon schwierig. Manchmal denke ich, es könnte durch die Nägel Gift in meinem Körper sein. Das macht mich schon fertig. Ich habe weitergearbeitet, ich kann nicht zuhause rumsitzen, dann geht es mir psychisch noch schlechter. Wenn ich auf der Keupstraße sitze und ein Fahrrad vorbeifahren sehe, habe ich schon Angst, dann laufe ich rein ins Geschäft. Oder wenn jemand mit einem Rucksack vorbeigeht, dann frage ich mich, könnte da etwas drin sein.

Der Kölner Nebenklage-Anwalt Stephan Kuhn möchte etwas über die wirtschaftlichen Auswirkung des Attentats für die Keupstraße wissen.

“Die Geschäfte in der Keupstraße sind danach sehr, sehr, sehr zurückgegangen. Ich möchte sagen, um die Hälfte. Die Geschäfte sind bis heute schlecht!”

“Es war unser Glück, dass vor dem Fahrrad ein Kastenwagen geparkt hat. Es hätte auch Tote geben können.”

Dritte Zeugin: Emine K. , 47 Jahre, gelernte Bürokauffrau, z.Zt. arbeitslos

“An dem Tag war ich im Laden meines Bruders an der Keupstraße. Er liegt neben dem Friseur-Laden. Ich habe ein lautes Knallgeräusch gehört und irgendetwas ist vor meine Füsse gefallen. Ich habe einen brennenden Mann wahrgenommen und habe versucht, ihn zu löschen. Ich sah einen Polizeiwagen, rief die Polizisten zu mir und habe weiter versucht, den Mann zu löschen. Ich konnte das Feuer am Bein des Mannes löschen. Dann kamen die Sanitäter. Da die Polizisten den Verdacht hatten, dass es hinter dem Laden eine Gasexplosion gegeben hatte, habe ich sie nach hinten geführt. Es verging etwas Zeit, dann kam die Kriminalpolizei und wollte mich sprechen. Ich sagte ihnen, dass es mir schlecht ging. In der Zwischenzeit muss ich wohl in Ohnmacht gefallen sein. Ich ging ins Krankenhaus, wo Polizisten mich befragten, wie es passiert sei.

Nach einer Woche haben sie mich telefonisch kontaktiert und gefragt, ob ich ärztliche Hilfe brauche. Eine Woche später wurde meine Aussage von der Polizei aufgenommen. Später bin ich regelmäßig zum Psychologen gegangen.

Richter Manfred Götzl fragt, wo sie sich aufgehalten hat, als sie das Knallgeräusch hörte.

“Ich stand direkt am Eingang, an der Tür, hatte mich angelehnt. Unsere Schwägerin und ein Kunde hatten sich innerhalb des Ladens aufgehalten. Die Hausnummer ist Keupstraße 31, unmittelbar neben dem Friseurladen. Die Scheiben des Geschäftes und der Vitrinen sind zerborsten. Von den Splittern bin ich nicht getroffen worden, aber von dem Knall habe ich Probleme mit den Ohren. Der brennende Mann befand sich direkt vor der Tür. Seine Beine haben gebrannt. Ich hatte die Polizei angerufen und gesagt, sie sollten alles schicken, was sie haben. Da sei etwas explodiert, es brenne.”

“Mit der Zeit, etwa nach sechs Monaten, habe ich festgestellt, dass ich nicht so gut höre. Da bin ich zum Arzt gegangen, der hat festgestellt, dass ich auf dem rechten Ohr nicht mehr gut höre. Ich benutze nun ein Hörgerät.”

Richter Götzl fragt, wie sie die Ereignisse verarbeitet habe.

“Ich musste mich einer Therapie unterziehen, befinde mich immer noch in Behandlung. Nach dem Vorfall habe ich zwölf Sitzungen in Anspruch. Dann war der Anspruch zu Ende. Da ich arbeitslos war, konnte ich weitere Therapie nutzen. Als es klar war, dass meine Probleme mit dem Anschlag zusammenhingen, habe ich mit Hilfe der Polizei eine weitere Behandlung begonnen. 2011 kam heraus, dass es mit NSU zusammenhing. Danach fand die Polizei eine Therapiestelle für mich. Seitdem bin ich in Behandlung. 2004 haben wir in der Therapie ausschließlich über den Vorfall in der Keupstraße gesprochen. Ich war in einer sehr schlechten psychischen Verfassung, konnte mich nicht konzentrieren.

Da meine Arbeit höchste Konzentration erfordert, konnte ich keine Arbeit aufnehmen. Bei Vorstellungsgesprächen wurden mir Fragen gestellt, da ich aber die Fragen sofort vergaß, konnte ich leider keine Arbeitsverträge abschließen. Selbst jetzt habe ich Konzentrationsprobleme. Ich bin vergesslich und schlafe ich sehr schlecht. Deshalb bin ich in Behandlung. Ich habe Albträume und wache ständig auf. Damals und auch jetzt habe ich fürchterliche Albträume. Allein diese Aspekte reichen aus, mein Leben nur schwer erträglich zu machen. Auch wird in den Medien immer wieder über den Anschlag berichtet, das verursacht ein Aufflammen der Erinnerungen.”

Vierter Zeuge: Fatih K., 29 Jahre

Ich war mit meiner Mutter in der Keupstraße. Sie wollte einkaufen. Ich bin währrenddessen zum Friseur gegangen, meine Haare schneiden. Dann habe ich mich dort auf die Couch gesetzt, mit dem Rücken zur Straße. Gefühlt 40 Minuten habe ich gewartet. Dann hat es laut geknallt. Es wurde stockdunkel, die Leute sind alle rausgelaufen, aus dem Fenster raus. Ich bin mitgelaufen.

Es war, als wäre ein Krieg ausgebrochen. Sanitäter wollten mich behandeln. Aber ich habe das nicht zugelassen, weil ich mir Sorgen machte um meine Mutter. Dann sah ich sie, sie stand auf der Straße, suchte mich auch. Später ließ ich mich von den Sanitätern behandeln. Wir saßen in einem Bus, mit den anderen Geschädigten, fuhren zum Krankenhaus. Der Arzt sah sich meine Ohren an. Ich hatte Verletzungen am Hinterkopf, mehrere Brandlöcher in der Kleidung. Drei Tage lang hörte ich alles nur dumpf, danach kam das Gehör wieder. Aber das Innenohr ist verletzt, entzündet sich seitdem immer wieder.

Richter Manfred Götzl fragt noch mal Details ab, wie Fatih K. den Anschlag selbst erlebte.

Auf dem Weg zum Friseur habe ich nichts Verdächtiges realisiert. Ich habe danach noch andere Schicksalsschläge erlitten, habe meinen Vater mit knapp 20 verloren, meinen besten Freund. Ich habe den Anschlag deshalb etwas zur Seite geschoben. Ab 2011 kam dann wieder die Erinnerung (Anmerkung: Zum Zeitpunkt, als klar war, dass die NSU den Anschlag durchgeführt hatte). Dann hat sich auch meine Meinung geändert. Die warme Solidarität hat damals gefehlt. Es sollte in solchen Fällen immer Solidarität geben.

“Eine Woche später wurde ich von der Polizei vernommen. Mir wurden Fingerabdrücke und DNA auf einem Wattestäbchen abgenommen. Mir wurden Fragen gestellt, ob ich was von Rotlicht-Milieu wisse, von PKK, von anderen kriminellen Dinge, ob ich Kontakt dazu hätte.”

Fünfter Zeuge: Attila Ö., 40 Jahre, zur Zeit arbeitsunfähig

“Wir waren in der Keupstraße, ich und mein Freund, wir gehen da seit Jahren hin. Wir saßen in der Nähe der Scheibe, sprachen mit dem Inhaber und in dem Moment gab es diesen Knall. Überall Rauch, überall Krach. Spraydosen platzten. Irgendjemand sagte mir, ich würde überall bluten. Von den Nägeln kam das. Ich bin raus, habe mich auf den Bürgersteig gesetzt. Die Sanitäter leisteten Erste Hilfe, später im Krankenhaus wurden die Platzwunden genäht. An der Stirn, am Arm, am Hinterkopf.

Ich habe eine große Explosion wahrgenommen. Dann kleinere. Das waren wohl Haarspray-Dosen, von der Wucht. Nach der Explosion, als wir wieder im Geschäft waren, habe ich die vielen Nägel gesehen. Ich hatte den Teil eines Nagels im Hinterkopf, den hatte ich gar nicht bemerkt. Als ich auf dem Bürgersteig saß, kam ein Mann vorbei, der hat es mir gesagt. Der hat mir dann auch den Nagel rausgezogen.

Ich war später bei meinem Hausarzt. Dann wurden auch die Fäden gezogen. Im Krankenhaus sagte man uns, wir müssten wieder in die Keupstraße, die Polizei wolle mit uns sprechen. Dort kam die Polizei direkt auf uns zu, nahm uns mit auf die Wache. Sie haben mich da bis Mitternacht vernommen, musste mich bis auf die Unterhose ausziehen, durfte keinen Menschen anrufen und gar nichts. Ich war erst gegen 1 Uhr morgens wieder zu Hause. Direkt danach kam zu mir noch einmal die Polizei nach Hause, drei Polizisten, darunter eine Frau, die wollten mich auch vernehmen. Ich sagte, ich bin doch schon vernommen worden.

Am Tag danach bin ich noch einmal für fünf Tage ins Krankenhaus, weil ich so starke Kopfschmerzen hatte. Mir wurde ein Psychologe empfohlen, ich habe das aber abgebrochen. Der hat mir was zum Einschlafen gegeben, das war nichts für mich.

Ich war Stapelfahrer. Durch die ganzen Krankmeldungen danach habe ich meine Arbeit verloren. Die Polizei nahm meine Fingerabdrücke, machte einen DNA-Test, die haben mich wie einen Beschuldigten behandelt. Ob ich Leute vom Rotlicht-Milieu, vom Drogen-Milieu kenne, von der PKK. Man sprach mich auf die Geschäftsinhaber der Keupstraße an.”

Sein Anwalt fragt: Sind diese Punkte auch im Polizei-Protokoll aufgenommen worden?

“Nein diese Punkte stehen alle nicht im Protokoll der Polizei. Ich bin auch nicht um 21.30 Uhr entlassen worden. Ich war erst um ein Uhr zu Hause.”

Sechster Zeuge: Abdullah Ö. aus Köln, 40 Jahre

An dem besagten Tag, dem 9.6., ein Mittwoch, war ich auf dem Weg in die Keupstraße zum Friseur. Mein Freund Attila begleitete mich wie immer. Beim Friseur war es voll, etwa acht bis zehn Leute. Eigentlich wollten wir draußen, vor der Tür, sitzen, um uns zu unterhalten. Aber dann saßen wir doch drinnen. Ich saß auf dem Stuhl, wurde frisiert. Als ich fertig war, stand ich auf, habe einen anderen Bekannten begrüßt und wollte mir nach der Rasur noch etwas Creme auftragen. Als ich gehen wollte und Tschüss sagen wollte, hat es geknallt. Ich bin von Beruf Elektriker. Ich wusste, dass es Gasleitungen in der Keupstraße gab und dachte die Leitungen im Keller seien explodiert. Ich sah eine Stichflamme und dachte, ich sei in der Hölle angekommen. Dichter Qualm, Frauenschreie. Irgendjemand schrie meinen Namen, Ich konnte aber nicht anrufen. Die Leute waren verletzt, hatten Schnittwunden, überall, sie weinten, die Frauen weinten. Ich suchte meine Freunde, habe gefragt, ob alles okay ist. Erst als einer sagte, es ist alles wieder okay, haben wir uns auf die Straße begeben. Die Leute auf der Straße sagten mir, dass ich aus dem Hals blutete. Überall Verletzungen. Ich hatte das gar nicht bemerkt. Das war ein Chaos, an dem Tag! Wir saßen alle in einem Linienbus. Die Splitter im Kopf, im Gesicht. Man hat mir etwas gegeben. Ich sagte, irgendjemand solle die Türen aufmachen. Es war so heiß. Im Krankenhaus wurde ich dann am Hals und am Kopf genäht. Wir haben Medikamente bekommen gegen die Schmerzen. Bekannte sagten uns dann, die Polizei würde uns suchen. Wir sollten in die Keupstraße fahren.

Wir mussten uns in ein türkisches Restaurant begeben, wo die Polizei die Leute vernommen hat. Ich sagte, mir gehts nicht gut. Wir sind verletzt. Ich lass mich doch hier nicht vernehmen. Da haben sie uns ins Polizeipräsidium gebracht. Es mag 18 Uhr gewesen sein. Mir wurden Fragen gestellt, was ich da in der Keupstraße zu tun hatte. Ich sagte, nicht jeder kann mir die Haare schneiden. Hassan macht das immer. Dann sollte ich mich ausziehen. Ich sagte, ich bin Verletzter, ich bin ein Opfer, kein Täter. Dann legten sie mir so etwas wie ein Wattestäbchen auf den Tisch. Ich sagte: “Nein, ich bin doch kein Vergewaltiger”. Dann musste ich den Speicheltest doch abgeben. Später kamen mein Schwager und meine Frau, brachten mir Sachen und ich durfte das Polizeipräsidium verlassen.

Später fuhren wir noch einmal ins Krankenhaus, uns ging es nicht gut. Die Betten waren alle voll, da haben sie den Besucherraum freigemacht und da Betten reingestellt. Links am Ohr hatte ich sehr starke Schmerzen. Wir haben dann Schmerzmittel, Infusion, für den Tinnitus bekommen. Drei Tage lang. Später bin ich zum Hausarzt und zu einem Psychologen gegangen. Es waren auch Leute vom Weißen Ring da, die sagten, sie wollten uns helfen. Aber danach habe ich sie nicht mehr gesehen. Ich hatte auch schwere Schnittverletzungen am Fuß. Es war alles sehr schwer für uns, wir mussten immer wieder erklären, dass wir nicht die Täter waren.

Mir wurde eine Kur genehmigt. Zehn Wochen. Erst in der fünften Woche habe ich begriffen, dass es mir nicht gut geht, dass ich professionelle Hilfe brauche. Ich fand eine Therapeutin, bei der ich fünfzehn Sitzungen hatte. Danach gab es einen Wechsel. Ich musste wieder alles von vorne erzählen, … meine Geschichte, … die schlaflosen Nächte. Es war furchtbar. Ich versuchte dann, es für mich runterzuspielen. Ich musste Nachrichten-Sendungen vermeiden, weil mich andere Unglücke sofort an meine Geschichte erinnerten. Ich wechselte noch mal den Psychologen, dann habe ich es aufgegeben. Ich wollte nicht jedes Mal, wenn der Psychologe wechselt, meine Geschichte noch einmal neu erzählen. Ich bin bis heute in Behandlung.

Ich habe einen Tinnitus im linken Ohr. Ich stand ja neben der Tür. Da ist es ja passiert. Ich hatte Schlafstörungen, jede Menge, immer wieder. Meine Kinder waren damals zehn und fünf Jahre alt. Ich musste mir Gedanken machen. Die Leute haben sich von uns abgewendet. Meine Tochter hatte in der Schule weniger Freunde. Immer wieder Träume, immer wieder der Verlauf, was da passiert ist. Auch wenn ich Sie jetzt angucke, spielt sich das alles wieder vor mir ab.

Richter Manfred Götzl: “Die Ärzte haben bei Ihnen eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert”.

“Es war für mich auch schwer, hier heute auszusagen. Gott sei Dank, ist die Aufregung jetzt runter. Als ich wieder arbeitete, bei Bauarbeiten, konnte ich keinen Lärm ertragen. Bei jedem Geräusch schreckte ich auf. Ich fahre bei Blitz und Donner nicht mehr Auto”.

Nebenklage-Anwalt Daimagüler fragt: “Haben Sie nach dem Anschlag mal erwogen, Deutschland zu verlassen?”

“Ich bin in Köln geboren. Ich bin ein deutsch-türkischer Kölscher Junge. Köln ist meine Heimatstadt. Deutschland ist meine Heimat”.